Stars von morgen

Die Weimarer Meisterkurse

Die Weimarer Meisterkurse sind eine tolle Chance für junge Musiker – und ein Hörgenuss für das Publikum.

Die Meisterkurse brachten einst Menschen aus Ost und West zusammen. Bis heute ist das Format fester Bestandteil des Weimarer Hochschul- und Kulturlebens. Und international sind die Kurse auch geblieben – hier zum Beispiel lehrt der französische Oboist David Walter.

Die Töne durch den Raum geleiten

Manchmal lächelt er, lehnt sich zurück und schließt träumerisch die Augen. Dann lässt er weiterspielen, manchmal sogar bis zum Ende des Satzes oder Stückes, und dann weiß man: Das hat ihm jetzt gerade richtig gut gefallen. Passiert allerdings nicht oft. David Walter ist einer der weltbesten Oboisten, er komponiert, leitet Ensembles und Orchester und hat eine Professur am Pariser Konservatorium – so jemand findet am Spiel seiner Schüler fast immer etwas zu verbessern.

In solchen Momenten hält ihn dann nichts auf dem Stuhl. Dann springt er auf, dann rudert er windmühlenartig mit den Armen, wackelt mit den Hüften und fällt gleich anschließend auf die Knie wie eine betende Madonna. Manchmal wirkt es, als wolle David Walter die Töne mit den Händen aus den Instrumenten seiner Schüler herausziehen und sie anschließend durch den Raum zum geöffneten Fenster geleiten. Wenn man sehen möchte, was es heißt, wenn jemand Musik mit dem kompletten Körper macht: Dann ist David Walter ein wunderbares Beispiel.

Internationales Klassentreffen

Und die Weimarer Meisterkurse sind ein eindrucksvoller Beleg dafür, wie aus dem Zusammentreffen von jungen Musikern aus aller Welt und Lehrern der renommiertesten Musikinstitutionen eine musikalische Spannung entstehen kann, die Proberäume und Konzertsäle zum Knistern bringt. Was im Sommer 1960 als musikalische Ost-West-Begegnung begann und Musiker von beiden Seiten des Eisernen Vorhangs zusammenbrachte, hat sich längst als internationales Event der Spitzenklasse etabliert. Die Meisterkurse der Hochschule für Musik Franz Liszt gehören zum Kulturprogramm Weimars wie das berühmte Kunstfest. Und die öffentlichen Konzerte von Schülern und Lehrern zählen zu den Höhepunkten des Sommers.

Der feine Unterschied

„Achte auf die Atmung! Die macht den Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Musiker!“ Da ist jetzt wieder David Walter. Seine Schülerin Viktoria Kassel stammt aus Ulm, studiert zurzeit in London und ist für den Kurs in ihre alte Hochschulstadt Weimar zurückgekehrt. Später wird sie erzählen, dass sie die erfrischend andere Art des Pariser Professors schätzt und dass er ihr vermittelt habe, couragierter und selbstbewusster aufzutreten. Dass er von seinen Schülern oft eine „Hier bin ich!“-Attitüde einfordere, sobald sie zum ersten Ton ansetzten, wohl wissend, dass die meisten viel zu zurückhaltend seien. Vielleicht auch deshalb springt er jetzt gerade vor ihr auf und ab. Er deutet mit dem Arm an, wie eine Passage in die nächste fließen soll, ballt die Fäuste und reckt die Arme in die Luft. Ein bisschen erinnert er in diesen Momenten an Jürgen Klopp.

David Walter gibt solche Kurse überall auf der Welt. Immer wieder und immer gerne. Seine Studenten seien für ihn wie eine große Familie, meint er, Musik kenne ja bekanntlich keine Grenzen, und das sei in diesen Zeiten wichtiger als je zuvor und beinahe schon ein politisches Statement.
 
„Es geht in meinen Kursen nur selten darum, ob ich eine bestimmte Achtelnote in einem Prélude von Chopin lauter oder eher leiser spielen sollte. Mir ist viel wichtiger, dass ich den Musikern die Zweifel nehme, die sie möglicherweise haben.“ Sehr oft, sagt Walter, hätten diese Bedenken nichts mit der Musik zu tun. „Was ist meine Schülerin oder mein Schüler für eine Persönlichkeit? Was hat sie erlebt? Was ließ sie so werden, wie sie ist? Das sind die Fragen, auf die ich Antworten suche. Dann kann ich helfen.“ Der preisgekrönte Oboist als Psychologe? „Ja, das kann man so sehen.“

„Ein Musiker spielt immer so, wie der Mensch im Musiker ist.“

(Bratschistin Barbara Westphal)

Impulse setzen

Auch Barbara Westphal ist es wichtig, in der relativ kurzen Zeit eines Meisterkurses eine Verbindung zu ihren Schülerinnen und Schülern aufzubauen. Die Bratschistin und weltweit gefragte Kammermusikerin hat drei Jahrzehnte als Professorin an der Lübecker Musikhochschule unterrichtet. In ihrem Weimarer Meisterkurs kümmert sie sich um bis zu acht Studentinnen und Studenten täglich, da bleibt nicht viel Zeit, um sich um- und einzustellen. „Aber natürlich stimmt der Satz, nach dem ein Musiker immer so spielt, wie der Mensch im Musiker ist“, meint sie. Und ergänzt, dass sie ihre Lehrtätigkeit vor allem deshalb noch immer begeistere. „Ich lerne ja jeden Tag neue Persönlichkeiten kennen. Und wenn es mir gelingt, während eines Kurses den einen oder anderen Impuls zu setzen, ist das Ziel erreicht. Die Umsetzung kann dann viel später zu Hause erfolgen, ob das jetzt in Weimar ist oder in Peking.“

Oder in Spanien. Adrian Verdugo Criado ist 17, kommt aus Madrid und hat im Internet nach Kursen gesucht, die ihn an seinem Instrument weiterbringen. Am Ende hat er sich für Weimar entschieden, „weil die Stadt diese große kulturelle Vergangenheit hat.“ Mittlerweile ist die Hälfte seines Meisterkurses vorbei. „Das ist etwas komplett anderes als an der Schule in Madrid. Die Lehrer hier wissen schon nach ein paar Takten, auf welchem Level man sich befindet. Und von ihren Tipps werde ich wahrscheinlich mein Berufsleben lang profitieren.“

Die Stars von morgen

Jetzt muss Criado los: Mittagessen. Zusammen mit Musikerinnen und Musikern aus Korea, Polen und dem Piemont. Im Treppenhaus diskutieren alle lautstark über Hindemith. Wahrscheinlich werden sie auch beim Essen über Musik reden. In sechzig Jahren Meisterkurse haben 300 Gastprofessoren ihr Wissen an viele tausend junge Musiker weitergegeben. Haben ermuntert und aufgerüttelt, gelobt und sanft korrigiert, Karrieren angestoßen oder auf den richtigen Weg gebracht. Im Sommer gehen die Meisterkurse in die nächste Runde. Dann kommen die nächsten nach Weimar.

Die Meister erleben

Die Weimarer Meisterkurse laden jedes Jahr im Hochsommer dazu ein, Musik ganz vielfältig zu erleben – als Gasthörer oder als regulärer Zuhörer im begleitenden Konzertprogramm. Auf dem Programm zu den Meisterkursen stehen sowohl Konzerte mit den Gastprofessorinnen und -professoren als auch mit den Studierenden.

©Gregor Lengler, Thüringer Tourismus GmbH


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