Schloss Elisabethenburg in Meiningen

Max Regers Aktentasche

Oh ja, das schaut ziemlich herrschaftlich aus! Schon der Rundbau des Schlossensembles von Schloss Elisabethenburg beeindruckt mich. Aus der Vogelperspektive schaut es sicher aus wie ein halber ungefüllter Krapfen, oder wie eine Mondsichel. Dahinter schließt sich der Schlosshof mit Marmorbrunnen und die mondäne, dreiflügelige Schlossanlage an. Die Elisabethenburg ist Residenz der Herzöge von Sachsen-Meiningen gewesen und erlangte Ende des 19. Jahrhunderts unter Herzog Georg II. mit Hoftheater und Hofkapelle europaweit Aufsehen und Bewunderung. Davon möchte ich mehr wissen und starte meine Erkundungstour. Zwei Schlossetagen – 50 Ausstellungsräume. Ich und meine Kamera.

Alle guten Dinge sind drei

Beim Betreten des Hauptzuganges lese ich die Schaukästen und Hinweisschilder und stelle fest: Das Schloss ist ganz schön belebt! Waren es früher die Ministerien des Herzogtums Sachsen-Meiningen, die im Rundbau untergebracht waren, so sind es heute Büros der Stadtverwaltung mit Sitz des Bürgermeisters, Standesamt und Bürgerbüro. Im ältesten Teil des Schlosses, dem Bibrasbau, sind das Staatsarchiv Meiningen, das Stadtarchiv und die Max-Reger-Musikschule zu finden. Doch mich interessiert viel mehr die Dreiflügelanlage des Schlosses und ich stöbere mich weiter durch Plakate und Wegweiser. Getreu dem Motto „alle guten Dinge sind drei“ gibt es gleich drei Meininger Museen zu bestaunen: das Museum Schloss Elisabethenburg, das Theatermuseum „Zauberwelt der Kulisse“ in der ehemaligen herzoglichen Reithalle und das Literaturmuseum im Baumbachhaus. Oha, mal schauen, was mein Zeitplan so hergibt.

©Susen Reuter, Thüringer Tourismus GmbH

Lieblingsplätze aufgespürt

An der Museumskasse im Schloss kommt mir spontan die Idee, das Aufsichtspersonal und die Kassiererin nach persönlichen Geheimtipps und Lieblingsplätzen zu fragen. Die Antworten folgen prompt: Das Herz der Dame schlägt fürs Adelheid-Zimmer, die Augen des Herren beginnen beim Erzählen übers Musikzimmer zu leuchten. Also gut, das lässt sich merken! Ich beginne meinen Streifzug durch das Museum und steige die alten steinernen Treppen hinauf. „Alles original aus dem 17. Jahrhundert!“, ertönt die Stimme des hilfsbereiten Mitarbeiters hinter mir, während ich meine Kamera zücke, um diesen imposanten Treppenaufgang zu fotografieren. In der oberen Etage angekommen, schließe ich mich einer museumspädagogischen Führung an: Es geht um die zahlreichen Reisen von Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen und Helene von Heldburg. Ich erfahre, dass die beiden ein Fable für architektonisch reizvolle Orte hatten und jene Erfahrungen auf Meiningen übertrugen – ein Vorbild war beispielsweise das Schloss Tratzberg in Südtirol. Eine zweite große Leidenschaft: Musik und Theater. 1876 besuchte Georg II. die Bayreuther Festspiele und war so angetan, dass er fortan das Meininger Theater etablierte, was ihm später den Beinamen „Theaterherzog“ einbrachte. Was mir in diesem Museumsteil gefällt: „12 Dinge, die man über Shakespeare und Meiningen wissen sollte“. Ich verrate eine kleine Story, den Rest müsst ihr euch selbst anschauen! Und zwar war Georg II. so verrückt nach Shakespeare-Dramen, dass er dafür extra nach England reiste – und sich während seines Lebens in gleich zwei Shakespeare-Darstellerinnen verliebte.

©Susen Reuter, Thüringer Tourismus GmbH

Meiningen – Musenhof zwischen Weimar und Bayreuth

Nachdem ich mir das herzogliche Wohnzimmer mit wertvollem Mobiliar, Holzdecke und wunderschönem Kamin angeschaut habe, lande ich bei Max Reger. Zumindest bei seiner Aktentasche, seiner Dirigierpartitur samt Taktstock, seinem Zigarettenetui und Antinikotintabletten. Dazu muss man wissen, dass der grandiose Komponist, Pianist und Hofkapellmeister zeitweise abhängig war von Bier, Wein, Cognac und Tabak. Kein Wunder bei diesem Pensum: Da war die Hofkapellmeistertätigkeit einerseits, bis auf den Rand gefüllte Tourneepläne und Unterricht am Leipziger Konservatorium andererseits. Das schüttelt keiner so leicht aus dem Ärmel, auch kein Max Reger. Im Museum stehen sein Schreibtisch und ein Konzertflügel aus dem Nachlass Elsa Regers. Neben Reger hatten hier im Schloss auch Hans von Bülow und Ludwig Chronegk ihre Arbeitsräume. Selbst Johannes Brahms war oft bei seinen Meininger Arbeits- und Freundschaftsbesuchen zu Gast im Schloss.

Wie von Geisterhand gespielt: historische Instrumente

Das müsst ihr euch unbedingt anschauen! Oder besser gesagt: anhören. Da betritt man die ehemalige herzogliche Bibliothek und betrachtet die Sammlung wertvoller historischer Musikinstrumente. Man geht etwas weiter an die Vitrinen heran, um Laute, Spitzharfe, Violine & Co. aus nächster Nähe zu bestaunen. Und plötzlich spielt das Instrument los, einfach so. Ein Schritt nach links – das nächste Instrument ertönt. Noch ein Schritt weiter, und wieder andere Instrumente erklingen. Diese kostbare Kollektion und das herzogliche Speisezimmer sind Glanzpunkte in der neuen Präsentation im Schloss. Zu Recht! Ich schaue mich um und sehe, dass alle anderen Besucher genauso fasziniert sind und sich gar nicht trennen können. Weiter geht es durch prunkvolle Schlossgemächer mit ebenso luxuriösem Interieur: das Holzzimmer im Empirestil, das Rote Zimmer, das Gelbe Zimmer – und dann der grandiose Marmorsaal! Er wird noch heute für stilvolle Anlässe und Konzerte genutzt.

©Susen Reuter, Thüringer Tourismus GmbH

Europas schönstes Barockcafé

Vielleicht ist es sogar das weltweit schönste Barockcafé? Etwas Vergleichbares habe ich jedenfalls noch nie gesehen! Weißer Stuck und aufwendige Verzierungen, wohin man schaut. Dazwischen große Spiegelflächen, die überdimensionalen Fenster gesäumt von schweren roten Vorhängen, die an der Seite mit Kordeln gerafft sind. Ich trete kurz hinaus auf die Terrasse des Turmcafés und bin begeistert von der herrlichen Aussicht über die Dächer Meiningens. Das solltet ihr euch nicht entgehen lassen! Wieder zurück im Hessensaal bestätigt mir mein Blick zur Kuchentheke: Hier oben gibt es eine Menge frisch gebackene Kuchen zur Auswahl. Ich entscheide mich für ein Stück Nuss-Krokant – lecker! Gut gestärkt trete ich den zweiten Teil meiner Besichtigungstour an.

Was Australien und Südafrika mit Meiningen verbindet

Die mittlere Schlossetage widmet sich vor allem den Kunstsammlungen. Ich staune über die gigantische Anzahl an Münzen und lese auf einem Schild, dass Meiningen für über 200 Jahre lang nicht nur Residenz, sondern auch wichtige Münzprägungsstätte gewesen ist. Ich schlendere durch Räume mit historischem Mobiliar und unzähligen Gemälden, darunter Werke des Hofmalers Carl Wagner. Und endlich komme ich zum Lieblingsort der Kassiererin: zum Blauen Salon, dem Adelheid-Zimmer. Alles ist in zartes Blau getaucht, der Blick schweift vom glitzernden Kronleuchter zum goldumrandeten Spiegel, weiter zu einem wunderschönen Sekretär und den vielen Gemälden an den Wänden. Und da steht sie: Adelheid. Von der Ferne betrachtet könnte man sie tatsächlich für echt halten. Der sehnsuchtsvolle Blick hinaus aus dem Fenster spricht Bände. Weit gekommen ist sie tatsächlich: Adelheid, Prinzessin von Sachsen-Meiningen, wurde 1830 Königin von Großbritannien und Irland. Sogar die australische Stadt Adelaide und die in Südafrika gelegene Stadt Adelaide wurden nach ihr benannt. Wie auch immer – dies ist jetzt auch mein Lieblingszimmer.

©Susen Reuter, Thüringer Tourismus GmbH

Konzertsaal und Schlosspark

In der Schlosskirche „Zur Heiligen Dreifaltigkeit“ wird man musikalisch begrüßt: Es ertönt eingespielte Musik von Johann Ludwig Bach, einem Mitglied der Meininger Bachfamilie. Einige Kantaten von ihm wurden später vom berühmteren Johann Sebastian Bach in Leipzig aufgeführt. Die Schlosskirche wurde zwar als Gotteshaus erbaut, ist aber seit einigen Jahrzehnten umfunktioniert worden zum Konzertsaal „Johannes Brahms“. Die Konzertorgel ist modernerer Bauart und wurde 1986 installiert. Ich gehe weiter und komme in den endlos langen, meterhohen Korridor der mittleren Galerie. Es riecht nach Bohnerwachs und meine Schuhe quietschen auf dem glatt polierten Boden. Ich hinterlasse hallende Geräusche in den sonst so stillen musealen Gefilden. Meine Uhr sagt: hinaus in den Schlosspark! Nach einigen Minuten wandle ich unter uralten Bäumen, deren große Laubdächer angenehm Schatten spenden. Verteilt im Schlosspark erblicke ich Skulpturen, dann genieße ich den Moment auf einer der Werra überspannenden Brücken und starre auf das fließende Wasser unter mir. Während ich so meinen Gedanken nachhänge stelle ich fest: Ich komme wieder. Und beim nächsten Besuch schaue ich mir definitiv das Theater- und Literaturmuseum an.

©Susen Reuter, Thüringer Tourismus GmbH

Text: Susen Reuter

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