Hommage an die Ausnahme-Herzogin

Wittumspalais

Herzogin Anna Amalia war eine Connaisseuse der Kultur, scharte Intellektuelle um sich und öffnete das Tor zum „Goldenen Zeitalter“ Weimars. Im barocken Stadtpalais, das ihr 32 Jahre als Witwensitz diente, wird die vielseitige und besondere Regentin greifbar – auch dank historischer Musikinstrumente, die noch heute im Rahmen spezieller Führungen ertönen …

Aufgrund ihrer zentralen Lage zwischen Frauenplan und Nationaltheater läuft die Schillerstraße vermutlich jeder Weimar-Besucher mal entlang, meist mehrfach. Gegenüber vom Theater: das Wittumspalais. Ohne Jalousien könnten Passanten gar in die Erdgeschossräume blicken. Den Palast-Status lässt sich der 1767 bis 1769 errichtete Bau allerdings nicht gleich anmerken. Ungewöhnlich. Aber es handelt sich ja auch um eine ungewöhnliche Frau, die hier jahrzehntelang gewohnt hat: Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar und Eisenach. Regentin, Mäzenin, Komponistin, „Begründerin des Weimarer Musenhofs“.

„Sie ist der Grund, warum ich hier bin“, gesteht Cornelia Irmisch, die bei der Klassik Stiftung Weimar als Kustodin in der Abteilung „Residenzschloss, Hof- und Residenzkultur“ tätig ist. Schon während der Ausbildung – in ihrer Magisterarbeit beschäftigte Irmisch sich mit der Sammlung antiker Gefäße der Herzogin – war sie begeistert von der Nichte Friedrichs des Großen. Deren Werdegang hat es ja auch in sich: 16-jährig mit Herzog Ernst August verheiratet, galt es angesichts des kranken Ehemannes schnellstens einen Erbprinzen zu gebären. Check. Carl August kam auf die Welt (und noch Sohn Nr. 2), ihr Gatte verstarb. Der Beginn einer außerordentlichen – unerhört: eine Frau als Regentin! – Vormundschaftsregierung. Als Anna Amalias Sohn schließlich volljährig war, zog sie 1775 in den Witwenpalast. Nichts anderes nämlich heißt Wittumspalais.

So viele Talente, so viele Interessen 

Auch ohne Beisein einer Expertin können Besucher sich ein Bild von der kunstsinnigen Herzogin machen. Genau genommen mehrere. Drei im Gewölbe befindliche Bildschirme geben, quasi als Gratis-Schnupperangebot, erste Einblicke. Zum einen in die Geschichte des Gebäudes, etwa als Treffpunkt der Freimaurerloge oder Arrestzelle für Abtrünnige. Viel mehr aber in das Leben Anna Amalias und ihre 32 Jahre im Wittumspalais. Die aus heutiger Sicht „emanzipierte“ und gebildete Frau – die von ihr begründete und nach ihr benannte Bibliothek  ist legendär – lieferte ja auch viel Stoff. „Die Herzogin hatte so viele Talente und Interessen“, sagt Irmisch. „Je mehr man über sie als Person erfährt, desto mehr will man über sie wissen!“

Gründerin der Tafelrunde

Aufschluss gibt etwa der Grüne Salon zu Beginn des Palais-Rundgangs. Er beinhaltet im Gegensatz zu anderen Räumen überwiegend authentische Exponate. Das gilt etwa für die an den grünen Wänden befindlichen Bilder, Andenken an die Italienreise der Herzogin. Dazu zählen neben einer Sänfte (zu sehen im Treppenhaus) zierende Salon-Gegenstände wie Tische mit Marmorplatten, ein mit Elfenbein und Ebenholz ausgeführtes Schachbrett und einige mehr. Für die damalige Zeit galten diese Empire-Möbel ebenso wie ein Sitzsofa oder der Multifunktionstisch fürs Waschen und Schreiben (!) als besonders modern gegenüber den vorherigen Rokoko-Möbeln. Irmisch: „Sie war absolute Trendsetterin.“

Das gilt auch für gesellschaftliche Aspekte. Die Tafelrunde der Herzogin, die sie im Speisesaal alias Tafelzimmer abhielt, hat(te) Kultstatus. „Ein geradezu utopischer Ort“, wie Irmisch meint, „weil sich dort Dichter, Gelehrte, Künstler und Leute aus dem Bürgertum austauschten und schon damals Männer und Frauen auf Augenhöhe diskutierten.“ Der „Weimarer Musenhof“, wie der kulturell interessierte Zirkel um Anna Amalia genannt wurde, trug maßgeblich zum guten Ruf Weimars unter Geistesgrößen wie Goethe, Schiller, Wieland und Co. bei. Und die begründeten letztlich das „Goldene Zeitalter“ im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, Stichwort „Ilm-Athen“ und Weimarer Klassik. Miniaturobelisken und Bildnisse der hohen Prominenz von damals sorgen noch heute für einen ehrwürdigen Spirit.

Töne aus der Vergangenheit

Ein paar Takte gilt es auch über die Musik zu verlieren. Die Herzogin nahm Unterricht in Komposition und Klavier bei Weimars Nummer 1, Ernst Wilhelm Wolf. Mit Erfolg, vertonte sie doch etwa Goethes Singspiel „Erwin und Elmire“ und kreierte eigene Sinfonien und Sonaten. Außerdem scharte sie etliche Musiker um sich. 1775 aller Amtspflichten ledig, widmete sie sich ganz ihren wissenschaftlichen und vor allem künstlerischen Neigungen. Davon zeugt das Musikzimmer. Wände in Gelb und Silber, Mobiliar in Schokoladenbraun, ein sehenswertes Deckengemälde. Die Stars jedoch sind eine Harfe aus dem frühen 19. Jahrhundert sowie ein über 200 Jahre alter Flügel. Schmuckstücke, nicht nur zum Anschauen, sondern auch zum Anhören. „Ein- bis zweimal im Monat werden die restaurierten Instrumente bei Klangführungen aufgemacht, erklärt und vor allem gespielt. Sehr emotional!“

Die Musik gibt auch im nächsten Stockwerk den Ton an. Da ist zum einen der aufgrund mancher Einkerbungen wohl recht temperamentvoll gespielte Flügel im ersten, rundum museal inszenierten Raum; zum anderen der Nachbau eines Liszt-Flügels sowie ein Hammerflügel im Festsaal. An den Säulen hängen Kristallleuchter, das Deckengemälde von Adam Friedrich Oeser ist prachtvoll, ebenso der Boden. Kein Wunder, dass der im Zustand von 1804 erscheinende helle Konzertraum auch heutzutage als Eventlocation begehrt ist, sei es für Lesungen, Diskussionsforen oder – besonders beliebt – standesamtliche Trauungen. 

 

Titelbild: ©Florian Trykowski, Thüringer Tourismus GmbH

Barrierefreiheit


Hat euch der Artikel gefallen?

landingpage_kultur, markenbotschafter
TOP-Gastgeber in der Nähe

Das könnte euch auch interessieren: