Auf einen Merlot

In der Thüringer Toskana

Am Sonnenberg oberhalb von Bad Sulza steht ein großer Mirabellenbaum. Der wäre schon Anlass genug, mal kurz anzuhalten, ein wenig vom süßen Obst zu naschen, das zu Boden gefallen ist, und den Blick auf das Tal unter uns und auf Bad Sulza zu genießen, den Thüringer Kurort mit seinen Solequellen. Dabei haben uns doch ganz andere Früchte auf den Sonnenberg gelockt! Denn auf dem Muschelkalkboden von Bad Sulza, das keine Autostunde von Weimar entfernt liegt, gedeihen nicht nur Mirabellen, Pflaumen und Äpfel, sondern vor allem jede Menge Trauben.

Weinstöcke ziehen sich in perfekt gekämmten Reihen über den Sonnenberg und, gleich daneben, über die Hänge bei Auerstedt, wo in der gleichnamigen Schlacht einst die Preußen gegen Napoleon verloren. Diese Trauben wiederum verwandeln sich in feinste Rot- und Weißweine. Gekeltert von Andreas Clauß, der 1994 das Thüringer Weingut Bad Sulza übernahm und sich daran machte, die über 1.000-jährige Tradition des Thüringer Weinbaus neu zu beleben. Als mutiger Pionier – und mit großem Erfolg.

Der Vierseithof im Bad Sulzaer Ortsteil Sonnendorf, den Clauß und seine Frau Kathrin zum Weingut umbauten, ist das Ziel unseres Genießer-Ausflugs ins Thüringer Weinland. Hier leben die Claußens heute, hier produzieren und verkaufen sie ihre rund 35 verschiedenen Weine – und hier bitten sie den Besuch zur Verkostung. Der sich dann fast anfühlt wie in der Toskana: Warm scheint die Sonne in den gepflasterten Innenhof mit den sienarot getünchten Fassaden und den üppig rankenden Weinreben. Bienen summen im Oleander, und am blauen Himmel schlagen Schwalben ihre Kapriolen. Passend dazu schenkt uns Andreas Clauß vom „Castello di Auerstedt“ ein, einem feinfruchtigen Weißwein-Cuvée, der schon alle Verheißungen des Südens in sich trägt. „Weißweine funktionieren am besten bei uns, und der Müller-Thurgau ist die Hauptrebsorte hier“, erzählt er mit dem leicht schwäbischen Zungenschlag, den der gebürtige Esslinger auch nach 28 Jahren in Thüringen nicht verloren hat. „Wir bauen aber auch Riesling, Traminer und Gutedel an, der hier als halbwegs autochthone Rebsorte einfach dazugehört, und neue Rotweinsorten.“

50 Hektar Gesamtrebfläche gehören zum Thüringer Weingut Bad Sulza; manche Weinberge liegen auch in Kunitz bei Jena und unterhalb der Dornburger Schlösser. Unterhalb der Sonnenburg in Bad Sulza hat der drahtige Winzer mit dem grauen Bart außerdem einen alten historischen Terrassenweinberg rekultiviert. „Die Weinstöcke da sind teilweise 100 Jahre alt“, schwärmt er. Er ist – das spürt man – ein engagierter Winzer, der auch mal was ausprobiert. Merlot zum Beispiel, der dank des wärmer werdenden Klimas jetzt auch in Bad Sulza gedeiht. „Unser 2018er- Merlot ist kräftig und ausgewogen und hat auch international überall die volle Punktzahl bekommen. Wollt ihr mal probieren?“ Und ob wir das wollen! Und in der Toskana sollten sie sich besser schon mal warm anziehen.

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