Bach-Barock abstrakt

Bachhaus Eisenach

Zusammen mit dem modernen Neubau zeigt das Bachhaus auf über 600 Quadratmetern die umfangreichste Ausstellung zu Leben und Werk des großen Barock-Komponisten. Viel Platz, um Johann Sebastian Bach in sämtlichen Facetten zu zeigen, auch modernen. So laufen auf iPods Pop- und Jazz-Reminiszenzen zu dessen Meisterwerken und im 180-Grad-Kino Musikfilme. Völlig unerwartet: Ein XXL-Leuchtbild übersetzt Töne in Farben.

Das Paar nebenan ist aufgeregt. Die wenigen Tische des Museumscafés stehen zu nah beisammen, um das nicht mitzubekommen. Dabei entpuppen die beiden sich als Bach-Verehrer, die – natürlich – auch dessen anderen Wirkungsstätten kennen: Leipzig, Weimar, Arnstadt und Co. „Doch das Bachhaus in Eisenach steht für uns auf Platz eins“, handelt es sich doch um das älteste und größte Museum über jenen Komponisten, den viele für den besten der Musikgeschichte halten. Der Grund für ihre Aufgeregtheit ist, dass sie heute über die Jahrzehnte hinweg zum 14. Mal da sind. Fragende Blicke. „14! Die Bach-Zahl!“

Stimmt! B als zweiter Buchstabe des Alphabets, A als erster und so weiter. Kurz: B+A+C+H = 14. Ferner enthält die „Kunst der Fuge“ 14 Contrapuncti und Bach trat als 14. Mitglied der Correspondierenden Societät der musicalischen Wissenschaften bei. 14 Knöpfe zieren Bachs Weste auf dem Haußmann-Gemälde von 1746, dem einzigen echten Bach-Porträt. Über den Vierzehner-Kult gab es schon Sonderausstellungen und Bücher. Im Museum informieren preisgekrönte Animationsfilme über die Zahlenmystik, aber auch andere Themen wie das „Wohltemperierte Klavier“. Dreimal dürft ihr raten, auf wie vielen Screens die Dreiminüter im ersten Stock laufen …

Töne als Farben

Mal in Marmor, mal in Holz: Sechs Büsten zeigen Bach im Foyer – mal gewohnt, mal ungewöhnlich. Letzteres gilt erst recht für die riesige Bach-Playmobilfigur oder figurative Gemälde des zeitgenössischen Malers Johannes Heisig. Jörg Hansen, seit 2006 Direktor des Bachhauses sagt: „Das Bach-Bild hat über die Jahrhunderte zahlreiche außermusikalische, auch ideologische Erwartungen absorbiert – der ‚alte Meister‘ etwa, oder ‚der Deutsche‘, oder ‚der Revolutionär‘ – und die Kunst spiegelt diese Erwartungen wider, auch wo sie ihnen konträr zu laufen scheint.“

Bach entstauben, ihn anders betrachten: Das liegt dem Direktor am Herzen. Was man dem Museum anmerkt, ihm selbst sowieso. Etwa wenn Hansen von den „Goldberg-Variationen 30+2“ von Benjamin Samuel Koren schwärmt. Das Leuchtbild sieht aus wie ein Mix aus bunten Strichcodes. „Koren hat Bachs berühmte Variationen mittels einer von Benjamin Newton vorgeschlagenen Methode Zeile für Zeile in Spektralfarben ,übersetzt‘, womit die Grundharmonik sichtbar wird.“ Das Ergebnis: tausende Farbkacheln, viel Grün und Rot, Blau an den Rändern, mittig eine goldene Achse. „Die klaren Farben weisen auf Harmonien hin“, so Hansen. „Bei Beethoven ergibt so ein Verfahren ein viel dunkleres Resultat.“ Töne als Farben, Bach-Barock abstrakt dargestellt: „Mission Entstauben“ geglückt.

Spinett-Musik im Stundentakt

Erstbesuchern empfiehlt Hansen den klassischen Einstieg: Am anderen Foyer-Ende hinein ins 1456 erbaute Fachwerkhaus. Fotografien und Infotafeln berichten dort über die Geschichte des Hauses, Johann Sebastian Bachs Leben und die Bachs als Musikerfamilie. Zu sehen sind Einrichtungsgegenstände von anno dazumal sowie rund 400 historische Musikinstrumente. Fünf davon – zwei Orgeln, ein Cembalo, ein Spinett und Bachs Lieblingsinstrument, das Clavichord – erklingen stündlich im Rahmen eines 20-minütigen Konzertes. Einmalig in Deutschland. Besucher müssen respektive dürfen sogar selbst Hand anlegen und bei der Orgel per Pedal für Luftzufuhr sorgen. Weil: keine Luft, keine Töne.

Ohrenschmaus im Hängestuhl

Danach geht es erst durch den Barockgarten, dann treppauf, treppab durch das verwinkelte Haus. Vorbei an der „Componier-Stube“ und der wie eine Schatzkammer gestalteten Rekonstruktion der Bach‘schen theologischen Bibliothek in den Neubau. Tschüs Fachwerkhausdunkel, hallo Modernhell. Hohe Räume, viel Glas, ein offener Saal mit Nischen und interaktiven Stationen, siehe die 14 Erklärfilme. Zugleich ist der 2007 eröffnete Neubau aus Muschelkalkplatten so behutsam ins Ensemble eingefügt, dass man innerlich Beifall klatscht. Jurys haben das auch öffentlich getan. „Wir wollten ein komplett modernes Gebäude“, so Hansen, „eines, in dem Musik an erster Stelle steht, es aber nicht nur ums Präsentieren geht, sondern um ein ganzheitliches Erlebnis.“

So wird an einer Hörstation der Bach-Autograph musikalisch erläutert, das „Begehbare Musikinstrument“ fungiert als 180-Grad-Stehkino mit vier Filmen. Dahinter hängen Bubble Chairs, in denen Besucher via Kopfhörern Bachs Musik lauschen. Das geht auch auf einem iPod. Eine Playlist vereint 42 „Ave Maria“-Reminiszenzen, von „der Callas“ über Pop-Ikone Madonna bis zur Karaoke-Version. Keine Musikform, die nicht Bach aufgreift. Beispiel Jazz. Zu hören ist Benny Goodmans Interpretation von „Bach Goes to Town“, zu sehen ist dessen Klarinette sowie ein Notenblatt der Swing-Version.

Film ab für Bach!

1940 markierte Disneys „Fantasia“ einen ersten visuellen Ausdruck von Musik, made by Bach. Nicht nur das Paar von vorhin schaut da wie gebannt auf den Bildschirm und die abstrakte Filmkunst. Abstrakt auch die Versuche, Bach über all die Jahrhunderte abzubilden, greifbar zu machen. Etliche Gemälde an der Saalwand zeugen davon. Makabrer Höhepunkt: die Ausgrabung seiner Gebeine. Bach war übrigens der Erste, an dessen Knochen man den Schädel rekonstruierte. Dieser ist hier auch ausgestellt, zusammen mit einer modernen Rekonstruktion.

Am Bach-Bild wird also weiter gearbeitet, ebenso an der Entschlüsselung sämtlicher Rätsel. Der Bach-Pokal etwa ist voll davon, inklusive den im Doppelmonogramm JSB befindlichen, punktförmigen Verdickungen. Deren Anzahl? Natürlich 14!

Live-Musik im Bachhaus
Der langjährige Bachhaus-Direktor Conrad Freyse gab das Motto aus: „Im Bachhaus darf die Musik nicht schweigen.“ Bis heute gibt es stündlich kleine Konzerte auf den historischen Instrumenten (im Eintrittspreis inbegriffen). An Weihnachten, Neujahr sowie am Bach-Geburtstag (21. März) finden sogar Festkonzerte statt. Klein und fein: die „historische Abendmusik“. Diese von Gruppen individuell buchbare Veranstaltung schließt neben dem Exklusivkonzert auch eine Sonderführung ein.

 

Titelbild: ©Gregor Lengler, Thüringer Tourismus GmbH

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