Zeitreise ins Mittelalter

Martin Luther auf der Wartburg

Der späte Nachmittag ist eigentlich die schönste Zeit, um die Wartburg und die schlichte, holzgetäfelte Lutherstube zu besichtigen. Wenn die Sonne tiefer steht und durch die historischen Fenster fällt, hüllen sanfte Sonnenstrahlen den urigen Schreibtisch ein. Staub flimmert und das goldene Sonnenlicht versetzt den ganzen Raum in einen zauberhaften Schimmer.

Man sieht die tiefen Furchen im Schreibtisch und das abgebröckelte Mauerwerk hinter dem grünen Kachelofen. Gedämpft hört man Gespräche der Besucher und die Flügelschläge der weißen Tauben, die vielleicht schon zu Luthers Zeiten auf dem Innenhof gehalten wurden.

Doch wie kam es zu Martin Luthers Aufenthalt auf der Wartburg und wie sah dieser aus?

Ein Rebell auf der Wartburg

Vor knapp 500 Jahren, als Luther sein Versteck am 4. Mai 1521 auf der Wartburg bezog, muss es wesentlich rustikaler hier oben zugegangen sein. Damals befand er sich auf dem Rückweg vom Wormser Reichstag. Er sollte bei einer Vorladung durch Kaiser Karl V. seine Schriften widerrufen, was er nicht tat. Zu Luthers Schutz wurde seine Gefangennahme als Überfall auf seinen Reisewagen inszeniert.

Luthers Versteck auf der Wartburg

Durch das Wormser Edikt von 1521 war es verboten, Luther zu verstecken, zu beschützen und ihm Kost und Logis zu gewähren. Jeder, der seiner habhaft wurde, war angehalten, ihn umgehend auszuliefern. Hinter Luthers Gefangennahme steckte Kurfürst Friedrich III. von Sachsen, der ihn schützen wollte vor der ihm drohenden Reichsacht – er war der Ketzerei und Kirchenspaltung bezichtigt. Bereits in Worms ließ der Kurfürst ihm geheim mitteilen, dass er ihn in eine Art Schutzverwahrung bringen würde, bis sich „die Aufregung“ gelegt hätte.

Geradewegs wurde Luther nicht auf die Wartburg gebracht. Man ritt mit ihm einige Stunden quer durch den Thüringer Wald, um falsche Spuren zu legen. Als er abends gegen 23 Uhr im Schutz der Dunkelheit auf der Wartburg ankam, führte man ihn in einen Raum mit sich anschließender Schlafzelle – eine Art Kavaliersgefängnis für adlige Gefangene. Einzig der Burgherr kannte die wahre Identität des Neulings. Der kursächsische Burghauptmann, der bereits vorher in den Plan des Herzogs eingeweiht war, konnte ihn so in nächster Nähe bewachen und persönlich beschützen.

Verwandlung und Einsamkeit Luthers

Hier führte Luther nun ein Leben in Abgeschiedenheit. Anfangs blieb ihm neben der Einsamkeit nur die herrliche Aussicht, weit über die Höhen des Thüringer Walds bis nach Hessen. Die Treppe zu seinen Räumen wurde abends wohl mit Ketten hochgezogen. Er ließ sich die Haare und den Bart wachsen. Zwei Knechte brachten ihm Essen in die Stube. Er durfte im anbrechenden Frühling nicht die Burg verlassen – zu groß war die Gefahr, erkannt zu werden. Das ging erst später und nur mit beträchtlicher Vorsicht, als er mit Ritterkleidung und Schwert vom Mönch zum legendären „Junker Jörg“ geworden war: Im Erscheinungsbild und Benimm eines Ritters.

Die Luther-Portraits

Lucas Cranach der Ältere war ein bedeutender Maler der Renaissance und Maler am Hof von Kurfürst Friedrich. Er schuf mehrere Portraits von Luther, war Trauzeuge der Familie und Taufpate von Luthers Sohn Johannes. ©Rainer Salzmann, Wartburg-Stiftung

Viele glaubten den Gerüchten zu Luthers plötzlichem Verschwinden, dachten, dass er ermordet sei. Kurfürst Friedrich III. verzichtete bewusst über die Kenntnis von Luthers Aufenthaltsort. Nach einer Woche stellte Spalatin den Briefverkehr zu ihm her und leitete auch Luthers Antworten an ihm vertraute Kreise weiter. Die Boten des Kurfürsten sorgten dafür, dass die Post wohlbehalten am Bestimmungsort ankam. Den meisten Leuten war aber auch Jahre später noch nicht bekannt, dass sich Luther vom 4. Mai 1521 bis zum 1. März 1522 auf der Wartburg versteckte.

Die Lutherrose

Luther entwarf selbst ein Siegel: die Lutherrose. Es war ein schwarzes Kreuz auf einem roten Herz in einer weißen Rose – umschlungen von einem goldenen Ring. Sie schmückte all seine Briefe, Schriften und Bücher. Vorbild für sein Siegel war eine ähnliche Rose im über 800 Jahre alten Löwen- und Papageienfenster der Klosterkirche des Erfurter Augustinerklosters. Fenster mitsamt Rose sind bis heute dort zu sehen.

Luther fiel es schwer, sich mit diesem auferlegten Schicksal anzufreunden. Nach Monaten intensiver Auseinandersetzungen und innerer Anstrengungen folgten nun auf der Burg Stille, Einsamkeit sowie seelische bzw. körperliche Erschöpfung. Sein Körper und Geist verarbeiteten die jüngsten Geschehnisse und mussten sich gleichzeitig an die ungewohnte Lebensweise auf der Burg anpassen. Hier gab es schwere, fleischreiche Ritterskost, statt frugaler Mönchskost.

Teufel, Tintenfass und Fleck

Er durchlebte nicht nur eine körperliche, sondern auch eine seelische Krise – beklagte sich in seinen Briefen anfangs über Trägheit und Lustlosigkeit und darüber, dass er sich zum Gebet bzw. geistiger Arbeit überwinden musste. Zweifel an seinem Tun kamen in ihm auf. Sein lebhaftes Vorstellungsvermögen und die innere Auseinandersetzung mit den Geschehnissen oder seiner Arbeit führten sicherlich auch dazu, dass er sich ständig vom Teufel versucht fühlte.

Die Behauptung, den Teufel gesehen zu haben, war für die Menschen im Mittelalter nicht abwegig. Dass Luther jedoch nach dem Teufel mit dem Tintenfass geworfen hat und so einen Tintenfleck an der Wand hinterlassen hat, ist eine Legende. Die „nackte“ Wand rund um den grünen Ofen und die kleine eiserne Teufelsgestalt erinnern die Wartburggäste bis heute daran.

Luther im Exil

Wartburgalltag 1521

Wer hat damals auf der Burg gelebt und gearbeitet? Welche Tiere wurden gehalten? Und wie wurde die Burg mit Wasser und Nahrungsmitteln versorgt? Taucht jetzt in das Mittelalter ein und erlebt den Burgalltag zu Luthers Zeiten im 16. Jahrhundert!

Headerbild ©Rainer Salzmann, Wartburg-Stiftung

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