Stadtschlendern in Erfurt

Ausblick von der Krämerbrücke

Thüringens Metropole ist bekannt für Krämerbrücke, Dom und andere historische Highlights. Bei einem Bummel entdeckt man jedoch noch viel mehr: stille Winkel, allerlei Grün und urige Läden, die von netten Menschen geführt werden.

Wenn man den Torbogen der Ägidienkirche am Wenigemarkt betritt, nimmt der Geräuschpegel schlagartig ab, wird die Lautstärke des alltäglichen Lebens abrupt heruntergedimmt. Die dicken Mauern des Gewölbes, das auch den östlichen Zugang zur Krämerbrücke bildet, sperren das Stimmengewirr der Erfurter City solide aus. In feiner Stille steigt man den Kirchturm hinauf, nur der eigene Atem wird lauter, je steiler die Stiegen werden. Durch schmale Fenster fällt Licht hinein, man schnauft an der großen Friedensglocke vorbei, die hölzerne Treppe knarrt, wer zu Höhenangst neigt, schaut besser nur vor sich auf die nächsten Stufen. Der Rest der insgesamt 128 Stiegen ist gleich geschafft, dann öffnet sich die Luke zur Spitze des Turms, 33 Meter über dem Erdboden.


Dort unten liegt Erfurt in all seiner Pracht. Fein verästelt mäandern Gassen und Gässchen durch das Häusermeer dieser Stadt, die mit 210.000 Einwohnern Thüringens Kapitale und eine selbstbewusste Metropole ist und doch auch manchmal wie ein überschaubares, kleines Dorf wirkt. Direkt zu Füßen die Krämerbrücke, ältestes profanes Gebäude vor Ort, die sich zwischen Benediktsplatz und Wenigemarkt über den Fluss Gera spannt und beidseitig komplett überbaut wurde, so wie die Ponte Vecchio in Florenz. Insgesamt 32 Fachwerkhäuser säumen den Brückenbogen, die meisten beherbergen heute schöne Läden für Antiquitäten und Kunsthandwerk, alles sorgsam von einer Stiftung verwaltet. 
Turmblick auf Erfurt

©Lisa Kramer, Thüringer Tourismus GmbH

Kleine Ladenlokale locken zur Pause, man sitzt davor beim Kaffee mit den Füßen auf dem uralten Kopfsteinpflaster und betrachtet in Ruhe Reisende aus aller Welt, die neugierig über Erfurts berühmteste Meile strömen. Es gibt natürlich 1001 andere Gassen und Gässchen ringsum, durch die Urlauber bummeln, aus allen Ecken wispern Geschichte und alte Geschichten. Stolze historische Bürgerhäuser bilden eine der schönsten Altstädte Europas, mittendrin das neugotische Rathaus aus den 1870er-Jahren am Fischmarkt, die spitztürmige Severikirche und der mächtige Dom, 1117 erstmals urkundlich erwähnt – auf seiner schier endlosen, kaskadenförmigen Freitreppe chillt Jung und Alt gern in der Abendsonne. 
Fischmarkt Erfurt

Der Fischmarkt, die gute Stube der Stadt ©Gregor Lengler, Thüringer Tourismus GmbH

Die City ist kompakt und gut zu Fuß zu erkunden, zudem gleiten überall Straßenbahnen umher, einige Linien bis spät in die Nacht. Und jenseits von Dom, Krämerbrücke & Co gibt es jede Menge gemütliche Plätzchen, die oft nur alteingesessene Erfurter kennen – bestens geeignet, einmal in Ruhe dem Puls der Stadt zu lauschen. 

Die vielen großen und kleinen Grünflächen etwa, Erfurt ist voller Bäume und Blumen. Südlich des Hauptbahnhofs duftet der Stadtpark, und von dort läuft man kilometerweit durch pralles Grün am Gera-Flutgraben entlang, durch den Park am Löberwallgraben, die Espachpromenaden bis in den Luisenpark. Auf dem Rasengeviert hinter der Krämerbrücke ruhen Stadtbummler aus, und Anwohner lieben Oasen wie den Predigerhof direkt an der gleichnamigen Kirche, ein kleines geheimes Versteck mit ein paar wenigen Bänken, nur einen Steinwurf vom Rathaus entfernt. 
Egapark Erfurt

©Christian Fischer, Thüringer Tourismus GmbH

Was seltsam ist: In dieser doch gar nicht so kleinen Stadt scheint jeder jeden zu kennen. Wer ein paar längere Augenblicke in einem beschaulichen Café sitzt, bemerkt schnell, wie oft und herzlich sich die Menschen hier grüßen. Und am zweiten oder dritten Tag gehört man dann schon fast dazu, es gibt zum freundlichen Blick ein Hallo oder bald auch einen längeren Plausch. Das geht so in den vielen jungen, coolen Kneipen und Bars wie Oma Lilo in der Gorkistraße oder Café Hilgenfeld direkt am Domplatz, in der Wein-Destille am Petersberg oder in lässigen Cafés wie die Mundlandung, wo zum freundlichen Miteinander leckeres Gebäck serviert wird. 

Man plaudert über Erfurts große Kunst- und Galerieszene, das neue Programm des kleinen feinen Theaters im Palais zum Beispiel, und kennt ihr schon die coolen Events im Klub und Café Franz Mehlhose? Noch eins sieht man von hier oben auf dem Turm der Ägidienkirche: Die Stadt ist solide eingebettet in eine grüne Umgebung. In kurzer Zeit ist der südlich gelegene Steigerwald erreicht, wo man im Waldhaus mit großem Biergarten vortrefflich rastet. Nahebei liegt das Bachstelzencafé an der Gera bei Bischleben, oder weiter nordwestlich der Stadt die Grundmühle im Weißbachtal.


Dann steigt man vorsichtig vom Turm wieder hinab (das engste Stück Wendeltreppe am besten rückwärts), flaniert in aller Seelenruhe hinüber zum Domplatz und genießt die Abendstunden in dieser großartigen kleinen Großstadt. Die selbst in ihrem Zentrum, zumal zu späterer Stunde, ganz still sein kann – beinah wie ein überschaubares Dorf, in dem jeder fast jeden kennt.

DOREÉN REIFENBERGER, LOOPKERAMIK

Die Töpferscheibe surrt, mit ihren schlanken, kräftigen Fingern formt Doreén Reifenberger ein hohes Trinkgefäß. In ihrem kleinen Atelier im Wächterhaus 2 nahe beim Hauptbahnhof ist es warm, und die studierte Archäologin ist glücklich hier – „die Wächterhäuser sind ursprünglich leerstehende alte Gebäude, die zu ihrem Erhalt an Künstler vermietet werden“, sagt sie. Seit 2013 entsteht dort nun in traditioneller Handwerksarbeit ästhetisches Essgeschirr in modernem Design – „für eine ansprechende Esskultur, die den Alltag verschönern soll.“ Zu erwerben sind die Keramik-Becher, -Teller, -Schalen & Co in ausgesuchten Geschäften oder online. Markenzeichen der größten Kollektion ist die Schwalbe – „loopSchwalben holen die Erinnerung an ein schönes Sommer-Picknick ins Haus“, sagt Doreén.

HARTMUT PRIEMER, BACKSTUBE AN DER KRÄMERBRÜCKE

Es duftet himmlisch in der kleinen Backstube in der Kreuzgasse am Benediktsplatz, am westlichen Ende der Krämerbrücke gelegen. Gerade ziehen Hartmut Priemer und Iñaki Arroyo, beide in weißem Leinen mit roter Bäckermütze stilecht gewandet, knusprig-frische Brote aus dem Ofen. „Wir backen nur kleine Mengen, nach alten Rezepten, von Hand, mit Produkten aus der Region“, sagt Priemer, der die Backstube führt. Er ist Quereinsteiger aus Berlin und seit vielen Jahren gerne in Erfurt daheim. Die Backtradition passt haargenau zum Konzept „gelebtes Handwerk“ der Stiftung Krämerbrücke. Und der kleine Café- und Verkaufsraum neben der offenen Backstube ist oft brechend voll, die Stimmung stets gut – nicht umsonst werden Priemer und sein freundliches Team auch „die lachenden Bäcker“ genannt.

EMÖKE EBNER, BUCHHANDLUNG KLEINGEDRUCKTES

Dieses kleine, im Frühjahr 2017 eröffnete Ladengeschäft am Mainzerhofplatz ist eine echt kuschelige Schatztruhe. „Ich wollte eine Buchhandlung mit Wohnzimmeratmosphäre haben“, sagt Emöke Ebner – das ist der gelernten Journalistin aus Ungarn, deren Mann als Opernsänger im nahen Theater arbeitet, spürbar gelungen. Zum Stöbern und Blättern in den Büchern werden Tee und Kaffee gereicht, eine alte Vitrine ist überladen mit ungarischen Weinen und feinster Schokolade, „passende Geschenke zu einem guten Buch“, findet Emöke Über den Bücherregalen hängen kunstvolle Bilder eines befreundeten Fotografen aus Budapest. Klar, dass in ein Wohnzimmer kein riesiges Buchsortiment passt, aber es gibt ja den dazugehörigen Online-Shop. Außerdem eine ungarische Ecke – „meine Lieblingsautoren wie Imre Kertész oder Péter Esterházy dürfen hier natürlich nicht fehlen.

KARINA BOTH-PECKHAM, PECKHAM’S COFFEE HOUSE

Wenn die Chefin des Hauses lacht, geht die Sonne auf (und sie lacht viel und gerne). Genauso freundlich wie Karina Both-Peckham, studierte Kommunikationswissenschaftlerin mit ungarischen und britischen Wurzeln, ist ihr Coffee-Shop in der Pergamentergasse. Was in der Studi-WG mit ihrem heutigen Ehemann und Teilhaber ersonnen und vor zehn Jahren verwirklicht wurde, ist nun ein Café-Bistro im liebevoll-urigen Secondhand-Outfit. „Anfangs gab es nur Kaffee und Kuchen, nun machen wir auch Mittagessen“, sagt Karina, „und zwar genauso wie früher die Mama.“ Will heißen: Es gibt nur ein Gericht pro Tag (aktuell auf der Facebook-Seite präsentiert), das aber in diversen Formen – wahlweise mit Fleisch oder ohne, gluten und laktosefrei, Low Carb oder Paleo. Wer schlau ist, bestellt vor, die Portionen in S, M oder XL gehen schnell weg. Dann bleibt nur selber nachkochen – Karina gibt Kurse, hat einen eigenen Blog, tritt im Fernsehen auf und hat bereits drei eigene Kochbücher herausgebracht. Ach ja, und die Zutaten kann man auch direkt im Peckham’s kaufen. Noch Fragen?

MARIA SOK, MR. & MRS. PRESIDENT

Mit zarter Hand schenkt Maria Sok, Assistenz der Unternehmerfamilie Isecke und eine Seele des Hauses, dem Neuankömmling Sekt ein. „Hotel war gestern“ lautet ein Slogan der kleinen feinen Boutique-Apartments, die im Obergeschoss eines schönen Bürgerhauses begnadet direkt am Domplatz liegen – ein paar Schritte führen zu Dom und St.-Severikirche, zu Fischmarkt und Krämerbrücke ist es kaum weiter. Die vier durch Werke lokaler Künstler geschmückten Apartments bieten Boxspringbetten, Kitchenette samt Nespressomaschine, Raindance Shower, Bademantel, Safe und vieles mehr. Und: „Auf Wunsch wird alles organisiert, das Frühstück im Café Nüsslein, der Tisch im Restaurant, die Limousine zum Flugplatz, ein besonderer Wein“, sagt Maria Sok zum „Secret Service“. Denn: „Be unique. Be president“ heißt zu Recht ein weiteres Motto des Hauses.

 


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