Neues aus der Schlossküche
Romantik Hotel auf der Wartburg
Manchmal geht Annett Reinhardt mit ihrem gesamten Küchenteam am späten Nachmittag kurz hoch in den Terrassensaal des Restaurants. Die Tische sind dann bereits weiß eingedeckt, Wein und Wassergläser funkeln frisch poliert, und die bequemen Korbsessel sind einladend arrangiert. Mit ihren Mitarbeitern steht Annett an den hohen Glasfenstern und schaut ins dichte Grün des Thüringer Walds hinaus. Eine Minute nur, ganz bewusst und konzentriert, „um die Schönheit des Moments auszukosten“, sagt die Küchenchefin des Wartburghotels und lächelt auf ihre stille, bescheidene Art.
Seit fast 1.000 Jahren ragt die Wartburg, dieser steinerne deutsche Mythos, auf einem Bergplateau hoch über Eisenach auf. Das Hotel im romantischen Fachwerk und Spitzgiebelstil kam erst im Jahr 1913 hinzu, doch auch hier weht zwischen rustikalen Deckenbalken, Natursteinmauern und Bogenfenstern ein faszinierend historisches Lüftchen. „Die Wartburg“, sagt Annett Reinhardt, „ist ein besonderer Ort. Luther hat hier gegessen, als er das Neue Testament ins Deutsche übersetzt hat. Es heißt, er habe Schweinefleisch gemocht, Senfsuppe und die Beeren aus dem Garten. Solche Geschichten inspirieren mich.“
Für fröhliche Leut
Eine alte Holztreppe führt in die Restaurantküche hinunter. In einer schwarzen Eisenpfanne brutzeln würzige Thüringer Rostbratwürste für die Mittagsgäste im hoteleigenen Gasthof, der den schönen Namen „Für fröhliche Leut‘“ trägt. Dazu gibt es Schabzigerklee-Senf aus einer nahen Thüringer Senfmühle. Im Topf daneben schmurgelt Schwarzbierfleisch, das mit Thüringer Klößen und Blaukraut gereicht wird. Alles deftige Klassiker der Thüringer Küche, wie sie Annett für die Tagesgäste auf der Burg zubereitet. Ihre kreative Ader dagegen lebt die gebürtige Eisenacherin erst in den Abendstunden richtig aus. Denn dann steht in der „Landgrafenstube“, dem Gourmet-Restaurant des Burghotels, edle Feinschmeckerküche auf der Karte.
Annett Reinhardt, die schwarzen Haare streng nach hinten gebunden, nimmt zartrosa Lachsstreifen, die sie mit Wodka, Dill, Wacholder und Salz gebeizt hat.
Sie formt sie zu kleinen Röschen und arrangiert einen Wildkräutersalat aus rotem Mangold, Blattspinat und Brunnenkresse. Dann nimmt sie ein Stück mit Piment eingelegte Lammhaxe und brät es in der Pfanne mit Rosmarin und Thymian an. Dazu gibt es zartgrüne Erbsmousse und einen Semmelkloß in ungewöhnlichem kantigen Quaderformat. „Mir macht es Spaß, den Gast zu überraschen“, sagt die Köchin und zwinkert mit den hellen, klaren Augen. „Und ich kombiniere total gern Historisches mit Regionalem.“ Da ist Annett Reinhardt auf der Wartburg aber auch am perfekten Platz.
Tradition mit leichter Hand
In den Archiven des Hotels hat sie jede Menge originaler alter Bankett-Menükarten gefunden, deren Gerichte sie mit Begeisterung nachkocht und dabei zeitgemäß auffrischt. Aus der „Kraftbrühe kalabrischer Art“, die am 24. September 1896 im Brunnenhof der Wartburg gereicht wurde, wird dann eine „Minestrone mit Bohnenpüree“, aus dem „Ganzen Rheinlachs gebacken“ ein „Lachs im Brickteig mit Safranrisotto und Mangold“. Aber auch Thüringer Klassiker bekommen für die Abendgäste im Restaurant eine kreative Note. Die Bratwurst etwa wird mit Kartoffel-Apfelsalat und hausgemachtem Tomaten-Chili zur aufregenden Vorspeise, und wer das gemischte „Wartburgvesper“ bestellt, darf sich unter anderem auf einen Miniatur-Kloß mit Schmand-Sauerkraut und ein kleines Wildragout mit Rosmarinstreuseln freuen.
Tradition mit leichter Hand unaufdringlich veredeln, das ist Annett Reinhardts Mission. Exotische Extravaganzen? Da schüttelt die Köchin nur den Kopf. „Thüringer Küche, das ist Heimat für mich. Kindheit. Ich habe 22 Jahre lang weit weg von zu Hause gearbeitet, war in Andalusien, auf Mallorca. Wie ich unsere Klöße vermisst habe, das Blaukraut! Das bereite ich übrigens immer noch ganz traditionell nach Originalrezept zu.“
Vor neun Jahren kam Annett Reinhardt aus Spanien zurück und begann, auf der Wartburg zu kochen. Die grünen Thüringer Wälder, erzählt sie, hätten sie anfangs beinahe erschlagen. „Diese Natur, diese Frische! Das war ich gar nicht mehr gewohnt. Es ist ein wunderbarer Platz hier, ich möchte so bald nicht wieder weg.“ Dann schaut sie durch das Küchenfenster wieder ins Grüne hinaus. Und genießt ganz kurz den Moment.
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©Gregor Lengler, Thüringer Tourismus GmbH