Die Entstehung von Machtworten

Bibelübersetzung auf der Wartburg

Bei einem Lästermaul sollte man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Also Zähne zusammenbeißen, auch wenn es einem ein Dorn im Auge ist. Sprachbilder, Sprichwörter und Alliterationen, die allzu gut bekannt sind. Wer hat’s erfunden? Der Mann, der das Neue Testament auf der Wartburg übersetzte. Er sprach viele Machtworte oder besser gesagt, schrieb sie. Viele von Martin Luthers sogenannten geflügelten Wörtern stehen noch heute im Duden.

Um an Luthers Aufenthalt in der Lutherstube zu erinnern, stehen hier heute ein zerfurchter Schreibtisch sowie ein schwerer Holzstuhl mit Armlehne. An der Wand darüber hängt ein Bild nach Cranach, welches Luther mit langem Haar und Bart als „Junker Jörg“ porträtiert. Neben dem Stuhl liegt ein großer historischer Walknochen, welcher gern als Fußtritt diente.

Ein hebräisches Altes Testament und ein griechisches Neues Testament waren zunächst Luthers einzige Lektüre. Viele seiner gewohnten Hilfsmittel aus Wittenberg standen ihm anfangs in seinem Exil auf der Wartburg nicht zur Verfügung. Er widmete sich dem Studium der Texte und schreibt sein geistiges Gedankengut nieder – mit Federkiel und Tinte. Wohl auch des nachts im Kerzenschein.

Luther auf der Wartburg

Ihr wollt wissen, wie Luther auf die Wartburg kam und wie sein Alltag dort aussah?

Luther und das Neue Testament

Martin Luthers bedeutendste kulturelle Errungenschaft und literarische Leistung auf der Wartburg ist zweifelsohne seine Übersetzung des Neuen Testaments. Er begann damit auf Drängen seiner Wittenberger Freunde bereits eine Woche vor Weihnachten 1521 und brauchte bis zur Fertigstellung nur elf Wochen.

Eine wahre Meisterleistung für einen Übersetzer und wirklich bewundernswert, denn: Eine einheitliche deutsche Schriftsprache gab es im Heiligen römischen Reich nicht; hinzu kamen hunderte Dialekte. Was viele nicht wissen: Luther war nicht der Erste, der eine deutsche Übersetzung vornahm, aber definitiv der Erfolgreichste. Bereits vor ihm gab es zahlreiche Versuche, doch im Gegensatz zu seinen Vorgängern schaffte er es – dank triumphaler Bekanntheit seiner Person, einer sprachgewaltigen Wortwahl und revolutionärem Buchdruckverfahren – das Werk im gesamten deutschsprachigen Raum rasant zu verbreiten.

Wortschöpfungen für die Ewigkeit

Luther selbst war dabei besonders wichtig, dass alle Bürger, die lesen konnten, auch die Bibel studieren und vor allem verstehen konnten. Nicht nur Priester sollten sich mit den Ursprungstexten des Christentums auseinandersetzen können, sondern auch der einfache Christ.

Luthers Schulbildung

Luthers Eltern wollten ihm eine gute Bildung ermöglichen. Bereits als Knabe besuchte er die Lateinschule und erlernte die lateinische Sprache. Latein galt als wichtigstes Fach und war die Sprache der Wissenschaft und der Kirche. Gottesdienste waren stets auf Latein und auch in der Schule wurde nur Latein gesprochen. 1504 war Martin Luther Student in Erfurt. In der dortigen Bibliothek fand er als 21-Jähriger ein vollständiges Exemplar der Bibel. Diese faszinierte ihn so sehr, dass er Hebräisch lernte, um sie besser zu verstehen.

Luther war überaus wortgewandt und versuchte daher, seiner Bibelübersetzung eine bildhafte Sprache zu geben. Die ursprünglichen hebräischen und griechischen Urtexte wurden nicht 1:1 übertragen, sondern dem Wortsinn nach in das Deutsch des Volkes – ohne dabei trivial zu werden. Als Basis nutzte er die Schriftsprache der sächsischen Administrativen bzw. Verwaltung, welche von Bürokraten, Akademikern, Anwälten oder Geistlichen verstanden wurde, und verknüpfte sie mit allgemeingültigen Begriffen. Der begnadete Rhetoriker wollte „dem Volk aufs Maul“ schauen und einen Text mit den Worten schaffen, den auch einfache Menschen lesen und verstehen konnten.

Wortwolke mit Luthers Wortschöpfungen, ©Thüringer Tourismus GmbH

Er schuf dabei gängige Begriffe wie „Gewissensbisse“, „Denkzettel“, „die Zähne zusammenbeißen“ oder „jemanden sein Herz ausschütten“. Darunter auch zahlreiche Sprichwörter wie „Perlen vor die Säue werfen“, welches der Lutherbibel, Matthäus 7,6 entstammt. Er übersetzte die Bibel „frei Schnauze“ und trug damit wesentlich dazu bei, dass eine einheitliche deutsche Schriftsprache entstand – aus emotionalen Worten, an die man sich gut erinnern konnte. Bis heute sind in der deutschen Sprache Ausdrücke und Redewendungen Luthers bekannt, die sein Werk damals schon so populär machten.

Luther übersetzt

500 Jahre Neues Testament auf der Wartburg

Eine Ausstellung von der Macht der Worte - in dieser Ausstellung wird Luthers Übersetzungsarbeit beleuchtet; auch im Hinblick auf das Phänomen des Dolmetschens. Dabei wird seine Übersetzung nicht nur im Licht des 16. Jahrhunderts betrachtet, sondern immer wieder mit heutigen Prozessen und Phänomenen abgeglichen. Besucher testen in interaktiven Stationen ihr Wissen zu Jugendsprache, gehen regionalen Sprechweisen auf den Grund, schnuppern in die biblischen Sprachen hinein, revidieren Texte und lernen so die Herausforderungen von Sprachen und Übersetzungen kennen.

Bibelübersetzung und Reformation

Martin Luthers Aufenthalt auf der Wartburg endete im März 1522. Er verließ seine Deckung auf eigenen Wunsch, um die Reformation, deren radikale Flügel zwischenzeitlich an Macht gewonnen hatten, wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Gemeinsam mit Melanchthon und weiteren Mitstreitern arbeitete er in den folgenden 10 Jahren unter anderem an der Übersetzung des Alten Testaments. Erst 1534 war die komplette Übersetzung der Bibel fertig, die den schwerfälligen Stil der Urtexte durch Luthers neue, leicht-verständliche Sprache ersetzte.

Einen Blick in die originale Lutherbibel werfen.

Martin Luther schrieb Geschichte in diesem kleinen Raum auf der Wartburg, oberhalb von Eisenach. Versteckt vor Kaiser und Kirche übersetzte er das Neue Testament, schaffte eine einheitliche deutsche Sprache und spaltete (ungewollt) sogar die Christenheit.

Mehr Infos rund um Luthers Bibelübersetzung gewünscht? Dann schaut im Lutherhaus in Eisenach vorbei!

www.lutherhaus-eisenach.com

Headerbild ©Rainer Salzmann, Wartburg-Stiftung

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