Ein Prosit auf die Zipfelmützen

Gartenzwerge und Bier

Sie passen beide perfekt nach draußen: der Gartenzwerg liebt den Vorgarten, das Bier schmeckt am besten beim Fest unter freiem Himmel. Ohne sie wäre der deutsche Sommer also nicht halb so gemütlich. Stippvisite in zwei kleinen Braumanufakturen Thüringens und bei den Gartenzwergen aus Gräfenroda. Die Gnome stehen im Landesverzeichnis Immaterielles Kulturerbe Thüringen – das Bier im Bundesweiten Verzeichnis.

Überall Zwerge: Sie angeln, gärtnern, faulenzen. Und sehen dabei überraschend wenig kitschig aus. Es macht Freude, ihnen in der „Zwergstatt Philipp Griebel Gräfenroda" über die Schulter zu schauen. Bei einigen in die Jahre gekommenen Gnomen blättert hier und da die Farbe, andere haben Staub angesetzt. In offenen Kisten hingegen warten diejenigen, die noch gar nicht fertig sind. Willkommen in der letzten traditionellen Keramik-Gartenzwergmanufaktur der Welt in Gräfenroda – einer Art Mehrgenerationen-Zwergen-Haus mit Museum, Shop und Café. Seit 2022 stehen die „Gartenzwerge aus Gräfenroda“ im Landesverzeichnis Immaterielles Kulturerbe Thüringen. Schon seit fast 150 Jahren werden sie im Thüringer Wald kunsthandwerklich hergestellt. Warum gerade dort? Der Ton lag vor der Tür. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts fertigte ein gewisser Heinrich Dornheim in Gräfenroda Tierfiguren. Weitere Manufakturen siedelten sich an. Und Firmengründer Philipp Griebel begann 1874 nach der Lehre, Tiere und Gnome zu formen. 

Glücksbringer mit Kultstatus

Zwerge begleiten die Menschen von jeher in Märchen und Sagen. Sie verfügen über besondere Kräfte, gelten als schlau und hilfsbereit. Auch Glück sollen sie bringen. In Gräfenroda glaubt man gerne ans Gute und versucht, die Tradition zu erhalten. Dafür braucht es Menschen mit Leidenschaft: Restauratorin Helma Ortmann etwa, die die Manufaktur vor Kurzem übernahm und in letzter Sekunde rettete. Oder Sven Berrar, den Gartenzwerge schon immer faszinieren und der nun mit über 3.500 Sammelstücken aus dem Saarland hergezogen ist, um in Gräfenroda in die Jahre gekommene Gnome aus Privatbesitz zu restaurieren. Kultstatus hat die Zwergstatt schon: „Zu uns kommen Interessierte aus aller Welt“, berichtet Helma Ortmann. Gemeinsam mit ihrem Mann und dem kleinen Team schafft sie den Spagat zwischen der Herstellung detailverliebter Sammlerstücke und bunter Zipfelmützen-Souvenirs. Beliebt sind etwa Karten spielende Zwerge und solche mit Bierkrug in der Hand.

Bier verbindet

Stoßen wir also auf die Zwerge an, am besten mit einem frischen Maibock von „Michels“ Eichsfelder Braumanufaktur e.k.. Oder einem India Pale Ale (IPA) vom Heimathafen Erfurt. Biere und Zwerge, die passen gut zusammen. Man braucht viel Kreativität und handwerkliches Können, um süffige Biere und eigenwillige Zwerge herzustellen, muss Traditionsliebe und Freude am Neuen ausbalancieren. Handwerkliches Bierbrauen steht seit 2020 im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes – nicht zuletzt, weil es durch seine lokale Verwurzelung Menschen auch bei Festen und Stammtischen miteinander verbindet.

Craft-Biere mit Ecken und Kanten

Michael Burkhardt von Michels Bier aus dem Eichsfeld tüftelt gerne neue Biere aus. Und manchmal interpretiert der studierte Braumeister das Reinheitsgebot auch mal mit einem Augenzwinkern, etwa bei seinem Coffee Stout. Gleichzeitig liebt er es, charakterstarke lokale Spezialitäten aus den vier Urzutaten – Hopfen, Malz, Hefe, Wasser – herzustellen, die wie früher weder gefiltert noch pasteurisiert sind. Burkhardt stellt kulturelle Events auf seinem Brauhof in Hüpstedt bei Dingelstädt auf die Beine, fährt zu regionalen Bierfestivals und pflegt sein Netzwerk aus Genuss-Menschen, die in Thüringen etwas bewegen möchten.

Gerade hat er bei Jan Schlennstedt vom Heimathafen vorbeigeschaut. Die beiden kennen sich seit der Ausbildung, heute verbindet sie die Leidenschaft zu Bieren, die „Ecken und Kanten“ haben dürfen, wie der Erfurter Brauer das nennt. Seine Kundschaft in Erfurt hat Schlennstedt langsam an den Craft-Bier-Geschmack herangeführt, indem er seine Rezepturen über die Jahre veränderte. Was wäre, fragen sich Kreative wie diese beiden Brauer, wenn der Reichtum an handwerklichen Bieren genauso wertgeschätzt würde wie das bei Weinen längst der Fall ist? Dann gäbe es im Gasthaus ums Eck eine eigene Bierkarte und es wäre normal, dass dort zur Thüringer Küche vorrangig Spezialitäten aus der Region ausgeschenkt werden. Noch ist das ein schöner Wunsch. Aber hier und da hat die Zukunft schon begonnen.   

Mehr erfahren?
zwergstatt-graefenroda.de
michels-bier.de
heimathafen-bier.de


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