Druck und Design made in Thüringen

Das Bauhaus und der Blaudruck

Es kam aus Weimar – und eroberte von dort die Welt. Das Staatliche Bauhaus, 1919 in Weimar gegründet, ist die wichtigste Kunstschule im frühen 20. Jahrhundert. Seine Stätten gehören seit 1996 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Der Blaudruck wiederum lebt an mehreren Orten in Erfurt weiter – und ist als Traditionelle Handwerkstechnik seit 2018 Immaterielles Kulturerbe der UNESCO. Was verbindet die beiden?

Gerade ist der Erste Weltkrieg vorbei, es gibt nach all den Erschütterungen eine große Offenheit für neue Ideen und Utopien, vor allem unter jungen Leuten. Sie fragen sich: Wie wollen wir in Zukunft leben – im Alltag und als Gesellschaft? Als Walter Gropius 1919 das Staatliche Bauhaus in Weimar gründet, wird die Kunstschule daher bald zum Experimentierfeld für Architektur und Design. Man arbeitete interdisziplinär, anfangs oft noch handwerklich. Im neuen Bauhaus-Museum Weimar kann man viele der damals entstandenen Stücke bewundern, die längst zu Designikonen geworden sind. Wer Bauhaus-Architektur erleben möchte, der spaziert durch den Park an der Ilm zum Haus Am Horn. Der Bungalow wurde von Georg Muche 1923 entworfen und ist das wichtigste Weimarer Gebäude im Stil des Neuen Bauens. Seinen Charme entfaltet es innen: die Einbauküche, die Zimmer, die alle um einen zentralen Raum mit Oberlichtern angeordnet sind, die Farben, das Licht. Man reist in die 1920er-Jahre zurück und möchte doch am liebsten gleich einziehen, weil alles so klar und doch gemütlich ist. Zum 100. Geburtstag des Haus Am Horn widmet die Klassik Stiftung Weimar ihr Jahresprogramm 2023 dem Thema Wohnen.

Experimente mit Schriften und Druckgrafik

Das Druckhandwerk war damals kein Fach beim Bauhaus, aber mit Hilfe von Handpressen, die noch aus der Zeit der alten Weimarer Kunstschule stammten, erlernten Interessierte Hoch- und Tiefdruckverfahren, experimentierten mit Schriften und Grafik. Da es ihnen um Veränderung ging, war Blaudruck kaum ein Thema. Aber umgekehrt interessieren sich die Waid-Fachleute in Erfurt heute wieder für die Formensprache der Kunstschule.

Zarte Designerschals

So hat Rosanna Minelli eine „Blauhaus-Kollektion“ mit Wollschals entworfen. Die Restauratorin für Gemälde kennt sich mit Farben aus und führt den kleinen Laden „Erfurter Blau“ auf der Krämerbrücke. Minelli hat sich der Blaufärberei verschrieben, experimentiert mit dem Farbstoff aus den Blättern der Waidpflanze (und anderer Pflanzen), bietet Workshops an und verkauft selbst entworfene himmelfarbene T-Shirts, Schals in zarten Blaustufen, Tischläufer und Kleinigkeiten wie Broschen oder Schlüsselanhänger. Rosanna Minelli sagt: „Jedes Stück ist so einzigartig wie der Tag, an dem es entstand.“

Ein ganz besonderes Blau

„Das Thüringer Becken hat besonders gute Böden“, erzählt Minelli weiter, deshalb wurde dort schon im Mittelalter Waid angebaut. Die Pflanze trug zum Reichtum Erfurts bei. Minelli hat die alten Techniken erlernt, sie gewinnt wie früher aus den Blättern der Pflanze mittels Fermentation und Trocknung Farbpigmente. Natürlich arbeitet die Expertin auch mit Blaudruck und anderen Gestaltungstechniken, aber vor allem interessiert sie sich für die Historie des Kunsthandwerks. Der eigentliche Blaudruck entstand nämlich erst später, ab etwa 1700. Dabei werden Models aus Holz oder Messing in eine sogenannte Reservage getaucht. Die oft floralen Muster dieser Druckstöcke bringt man auf den weißen Stoff auf – denn wo das „Trennmittel“ ist, kommt die Farbe nicht durch. So entstehen traditionelle Muster, die an Batiktechnik erinnern. Im Volkskundemuseum Erfurt kann man einige historische Wäschestücke betrachten.

Workshop zum Blaudruck

Kris Wezyk vom Dürerhaus in Erfurt widmet sich seit fast 20 Jahren diesem historisch-rustikalen Blaudruck und mit seiner Werkstatt. Der Schmuckdesigner und Blaudruck-Spezialist besitzt eine Druckstock-Sammlung von etwa 450 Stück – Blumen, Muster und Bauhaus-Motive, die noch aus den 1920er-Jahren stammen  – und stellt im Waid- oder Indigo-Farbbad Schals, Tischdecken und Läufer her. Die kann man dann im traditionsreichen Dürerhaus kaufen – einem Geschäft, in dem viele Kunsthandwerker:innen aus der Region ihre besonderen Stücke anbieten können. Das Dürerhaus macht auch Blaudruck-Führungen und Workshops. Dabei stellt man sein Blaudruck-Lieblingsstück selbst her: Model und Stoff auswählen, mit Linealen und Bleistift die Solllinien auf dem Gewebe markieren. Dann werden die Druckstöcke unter Anleitung von Kris Wezyk ins Trennmittel getaucht und vorsichtig auf dem Stoff abgesetzt. Drücken, anheben – schon erscheint das spätere weiße Muster ganz zart in Grau auf Weiß. Nun heißt es abwarten. Denn Blau gemacht, sprich gefärbt, wird in der Werkstatt meist erst später, wenn genug Färbestücke beisammen sind.

Schon gewusst?

So wird blau gemacht:

Der Stoff oder die Wolle werden mehrmals in eine Färbelösung – die sogenannte Küpe – getaucht. Nach drei bis vier Durchläufen entsteht ein satter Blauton. Und auch das nicht gleich. Zunächst wirken die Textilien eher grünlich, erst durch den Kontakt mit der Luft verfärben sich die Sachen ins Blaue hinein.

Mehr wissen und erleben?
klassik-stiftung.de
erfurterblau.de
duererhaus-erfurt.de
volkskundemuseum-erfurt.de


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