Frauen am Bauhaus
Hallo, ich bin Maren und für euch in Thüringen unterwegs auf der Suche nach spannenden Geschichten rund um das Bauhaus-Jubiläum 2019. Meine erste Reise führt mich nach Weimar, dem Gründungsort des Bauhauses. Hier möchte ich mehr über die Bauhaus-Frauen von damals erfahren. Kommt mit auf eine spannende Reise in vergangene Zeiten.
Das Bauhaus wurde von den unterschiedlichsten Protagonisten geprägt. Doch sind es zumeist männliche Vertreter wie Walter Gropius, Henry van de Velde oder Wassily Kandinsky, die unweigerlich mit der wichtigsten Kunstschule des frühen 20. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden. Die Leistungen von Frauen am Bauhaus werden in den meisten Geschichtsbüchern anscheinend einfach vergessen. Obwohl deren beachtliche Anzahl etwa ein Drittel der Bauhäusler ausmachte, standen Frauen zu Unrecht im Schatten der Schule.
Reise in die Vergangenheit
Um mehr über die Bauhaus-Frauen von damals zu erfahren, muss ich die Zeit um 100 Jahre zurückspulen. Dabei hilft mir Antje Danz, Studentin an der Bauhaus-Universität Weimar. Sie hat zwar wie ich auch keine Zeitmaschine, kennt sich aber sehr gut mit dem Thema Frauen am Bauhaus aus.
Antje und ich treffen uns in Weimar, dem Gründungsort des Bauhauses, und besuchen Stätten, an denen die Ideenschule noch heute erlebbar ist. Dabei begegnen uns zunächst erst einmal wieder die Herren der (Bauhaus-)Schöpfung. Im Park an der Ilm schauen wir uns die Ruine des Tempelherrenhauses an. Hier hatte Bauhaus-Meister Johannes Itten sein Atelier. Er war Leiter des Vorkurses, den er selbst als Einführungssemester entwickelt hatte. Für Itten war das Bauhaus mehr als Architektur, Design und funktionaler Stil. Die individuellen Fähigkeiten des Menschen betrachten und fördern. Damit befasste sich Itten als Anhänger der religiösen Mazdaznan-Bewegung und war mit seinem rasierten Kopf und in Kutten gekleidet schon ein Unikat an der Kunstschule. Frauen am Bauhaus hingegen waren nicht so rar.
Nachdem Walter Gropius bei Eröffnung verkündete, dass „[…] jede unbescholtene Person ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht […]“ als Lehrling aufgenommen wird, schrieben sich 84 weibliche und 79 männliche Studierende im Sommersemester 1919 ein.
Wo Wolle ist, ist auch ein Weib
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es unüblich, dass Frauen überhaupt studieren konnten. Gropius setzte somit ein Zeichen und machte das Bauhaus zum Vorreiter in Sachen Frauen-Emanzipation. Der Euphorie folgte jedoch bald Ernüchterung, denn Frauen galten in Werkstätten – wie der Metallwerkstatt und der Tischlerei – als unerwünscht. Zu schwer sei die körperliche Arbeit und Gropius fürchtete angesichts der hohen Frauenquote einen Imageschaden der Hochschule. Der spottende Vers „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib“, den Form-Meister Oskar Schlemmer prägte, führte nicht zuletzt dazu, dass 1920 die Weberei zur „Frauenklasse“ erklärt wurde. Die Formmeister des Bauhauses, unter ihnen keine einzige Frau, bewahrten sich somit auch die Möglichkeit, die wenigen Werkstattplätze für die männlichen Studenten zu reservieren.
Einige der Frauen ließen sich aber nicht so einfach in die Weberei abschieben. Marianne Brandt eroberte sich in der Männerdomäne Metallwerkstatt einen Platz und war erfolgreicher als manch einer ihrer Kommilitonen. Andere begriffen die „Frauenklasse“ als eine Chance: Gunta Stölzl avancierte sogar zur ersten Bauhaus-Meisterin in der Weberei. Hier bildete sie Margaretha Reichardt aus, die nach Erhalt ihres Bauhaus-Diploms in Erfurt ihre eigene erfolgreiche Textilwerkstatt aufbaute.
Das Bauhaus und Frauen heute
„Trotz ihrer herausragenden Leistungen verschwanden viele Arbeiten der Bauhaus-Frauen in den Schubladen oder wurden gar als Arbeiten ihrer Männer verkauft. So auch viele Texte von Ise Gropius“, erzählt mir Antje. Ise wird von ihrem Mann Walter Gropius liebevoll „Frau Bauhaus“ genannt, verzichtet nach der Heirat auf ihren eigenständigen Beruf und wird Sekretärin, Lektorin und Organisatorin am Bauhaus. Sie bringt sich sogar in gestalterische Entwürfe ihres Mannes ein. Das Bauhaus wird zu ihrem „zweiten Ich“.
Im Jahr 2019 müssen sich Frauen zumeist nicht mehr hinter ihren Männern verstecken und zeigen stolz, was sie können. Eindrucksvoll beweist das die studierte Schmuckdesignerin Nane Adam. Seit 2003 entwirft und fertigt sie mit viel Hingabe einzigartige Schmuckstücke. Ich besuche sie in ihrem wunderschön eingerichteten Atelier in der Rittergasse in Weimar und sie präsentiert mir sogleich stolz ihre Ringkollektion „Flexible rings“.
"Die Form folgt der Funktion lautet die Gestaltungslehre des Bauhauses. Nach dieser Lehre habe ich die Flexible rings entwickelt“, erklärt sie mir. „Ich habe mich viel mit dem Bauhaus beschäftigt, nicht zuletzt auch, weil ich in Weimar lebe, hat mich dieses Gestaltungsprinzip inspiriert“. Das Besondere: die Ringe passen sich durch ihre eingearbeiteten Nylonschnüre an viele Fingergrößen an. Auch bei der Präsentation der Ringe nimmt Nane Adam Bezug zum Bauhaus und ordnet die Schmuckstücke gekonnt nach der Farb-Form-Lehre von Kandinsky und Itten an: blau, rot und gelb zu den Formen Kreis, Quadrat und Dreieck. „Das Bauhaus ist eine Anlehnung an die Bauhütten der mittelalterlichen Kathedralen, in denen Handwerk und Kunst miteinander verschmolzen. Diese Verbindung fasziniert mich sehr. Mir ist es ein Anliegen, das Handwerk sichtbar zu machen und auch die Person zu zeigen, die den Produkten einen Namen gibt.“
Auch Antje ist ein Beispiel für eine emanzipierte Bauhaus-Frau von heute. Sie widmet sich nicht nur ihrem Studium der Medienkunst und -gestaltung, sondern arbeitet auch an spannenden Experimenten im DIY Bio Lab der Bauhaus Universität in Weimar. „Derzeit arbeite ich hauptsächlich mit dem Organismus Physarum Polycephalum. Er reagiert vergleichsweise schnell auf Umweltreize und eignet sich sehr gut für das künstlerische Arbeiten.“
Wenn ihr wissen möchtet, wie das genau aussieht, könnt ihr Antje am 12. April zum Fest „Republik der Geister“ an der Bauhaus-Universität Weimar erleben.
Antje beteiligt sich immer gern an Uni-Projekten und ist stolz, hier studieren zu dürfen: "Die Bauhaus-Universität Weimar ist eine große Familie. Der Kontakt zu den Dozenten ist sehr eng. Jeder darf seinen Beitrag leisten, die Uni verfügt heute über zahlreiche Frauenförderprogramme und -fonds für Wissenschaftlerinnen. Auch gibt es immer wieder Vortragsreihen zum Thema Frauen am Bauhaus."
Die Bauhaus-Universität Weimar bietet außerdem (in Kooperation mit dem Studierendenwerk Thüringen und der Hochschule für Musik FRANZ LISZT) die flexible Kinderbetreuung Bauhäuschen an. Junge Mütter bekommen somit Kind und Karriere unter einen Hut.
Für mich steht fest: Die Bauhaus-Frauen im Jahr 2019 stehen zum Glück schon lange nicht mehr im Schatten der Schule. Walter Gropius ebnete jungen Frauen vor 100 Jahren den Weg. Gunta Stölzl, Gertrud Arndt, Marianne Brandt, Margarete Heymann und Margaretha Reichardt ergriffen ihre Chance und bewiesen bereits damals, dass sie ihren männlichen Kommilitonen in nichts nachstehen. Heute beeindrucken mich Antje Danz und Nane Adam mit ihrem Talent und ihrem Engagement. Da kann man(n) sich eine Scheibe von abschneiden.
An dieser Stelle richte ich ein großes Dankeschön an die beiden beeindruckenden Frauen, die mir für meinen Artikel Rede und Antwort standen. Ein besonderer Dank gilt außerdem der Bauhaus-Universität Weimar.
Good to know
Lesefutter
Studieren mit Kind:
Im BAUHAUS.JOURNAL findet ihr interessante Interviews, Features und Fotostrecken. Diese Ausgabe fokussiert persönliche Erfahrungen und Sichtweisen von Studierenden, Alumni und Mitarbeitern auf das Leben an der Uni. Exklusiv berichten junge Frauen und Männer, wie sie Kind und Karriere unter einen Hut bekommen. >mehr
Tipp:
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