Ebenbilder

Sprache sehen

Eine fein ziselierte Kette am Hals der Prinzessin Sibylle von Cleve in Weimar. Ein hauchzarter Stoff, der die Gothaer Aphrodite kaum verhüllt. Spritzendes Blut vom Rumpf des geköpften Täufers Johannes in Neustadt an der Orla. Die Cranachs malten mit viel Lust am Detail. Wer etwas näher tritt, entdeckt die Kraft ihrer Bilder. Sie schafften die Welt und den Menschen auf eine neue, lebendige Art.

In Thüringen sprechen Cranachs Bilder noch immer mit ihren Betrachtern und beginnen einen munteren Dialog mit Farben und Symbolen, erzählen und übersetzen Welten neu. Erzählen vor allem durch ihren Stil von einem Aufbruch des Menschen in eine neue Zeit!

Tatort Bild: Geheimcode

Bilder deuten? Da sind Missverständnisse doch vorprogrammiert? Nicht ganz. Bilder visualisieren nicht nur, sie machen Themen erlebbar und verständlich. Wie in einem spannenden Krimi muss man sie auch entschlüsseln. Und wie das mit dem Sehen so ist, erkennt jeder etwas anderes – so auch in Bildern.

Um 1500 waren Bilder ein gebräuchliches Medium, da das Lesen nur einer Elite vorbehalten war. Außerdem verbreiteten sich Botschaften schneller. Viel hat sich daran auch 500 Jahre später nicht geändert. Wir gucken immer noch gern. Werbung, Film, Ausstellung oder Museum: Bilder haben weiterhin eine hohe Anziehungskraft.

Abgenutzt und trotzdem zutreffend: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

Monumentalgemälde

Die Sixtina des Nordens in Bad Frankenhausen

Bilder beeindrucken und regen noch im 20. Jahrhundert zum Nachdenken an. Eines davon ist Werner Tübkes Bauernkriegspanorama zur „Frühbürgerlichen Revolution in Deutschland“. Ansässig im Panorama Museum Bad Frankenhausen zeigt es die Interpretation des Thüringer Aufstands um Thomas Müntzer im Mai 1525, welches ein Stück Geschichte neu übersetzte. Wieso monumental? Das Bild ist 14m hoch und 123m lang.

Geheimnisse lüften

Was wollte uns der Künstler damit sagen? Dieser Frage können wir dank heutiger Technik auf den Grund gehen, um lang gehütete Cranach-Geheimnisse zu lüften. Dem Meister muss nur mit raffinierten Mitteln zu Leibe gerückt werden. Also nehmen Forscher moderne Infrarot-Kameras und durchleuchten damit sein Werk. Mittels Reflektografie werden so Vorskizzen auf dem Holz aufgespürt, weil die bessere Rückschlüsse auf den Urheber zulassen. Wer hat’s denn nun gemalt? Noch immer rätseln Kunsthistoriker bei einigen wertvollen Stücken, wer der Künstler war. Lucas Cranach der Ältere? Oder doch einer seiner Söhne?

Wieder zurück in Gotha!

Die Rückkehr der verlorenen Meisterwerke

In einer stürmischen Dezembernacht 1979 wurden aus Schloss Friedenstein fünf wertvolle Altmeistergemälde gestohlen, die erst nach über 40 Jahren nach Gotha zurückkehrten. Dieses Verbrechen wurde als größter Kunstdiebstahl der DDR bekannt. In einer Sonderausstellung ab Oktober 2021 wird die wechselhafte Sammlungsgeschichte in Gotha erzählt und zeigt, dass alte Bilder Geschichte auch neu schreiben können.

Kraft der Bilder

Schon einen Blick in die Lutherbibel in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek geworfen? Habt ihr die Illustrationen genau betrachtet? Sie stammen ebenfalls von Cranach – besser gesagt aus seiner Werkstatt. Diesen Bildern ist es mitunter zu verdanken, dass die Ausgabe des lutherschen Neuen Testaments zum Kassenschlager wurde: Es wurde ganze 42. Mal neu aufgelegt; innerhalb von drei Jahren nach Erstveröffentlichung.

Eine vollständige Ausgabe mitsamt Altem und Neuem Testament kam 13 Jahre später. Nunmehr mit insgesamt 117 Holzschnitten. Von dieser sogenannten Lutherbibel aus 1534 hat sich in Weimar eine besondere Ausfertigung erhalten. Die Bibel wurde nach dem Druck farbig gestaltet und teilweise vergoldet. Seit 2015 gehört dieses Exemplar zusammen mit anderen Lutherschriften zum UNESCO-Weltdokumenterbe.

Einen Blick in die Lutherbibel werfen.

Cranachs Bilderfluten

Ausstellung der Klassik Stiftung Weimar

Das Historische Gebäude der Herzogin Anna Amalia Bibliothek erhält ein neues Antlitz. Ab Anfang 2022 wird im neu umgestalteten Renaissancesaal eine Ausstellung zu Lucas Cranach, seiner Werkstatt und seinem Umfeld gezeigt. Ein Highlight ist unter anderem die originale Lutherbibel von 1534.

Cranach wurde nicht zuletzt durch die Freundschaft mit Martin Luther zum Maler der Reformation. Weil Cranach die Eheleute Luther schon aus Gründen der Propaganda (Luther als Ex-Mönch und Katharina von Bora als entlaufene Nonne, zusammen als Paar) oft malte, prägte er unser Bild von Luther. Cranach machte Luther zur Ikone der Reformation.

Tipp: Auf der Wartburg befindet sich eine ganze Sammlung von Luther-Porträts.

Es lohnt sich, diese Auseinandersetzung neben der Sprachleistung Luthers mit der Bildleistung Cranachs. Er verhalf den Reformationsköpfen zu Bekanntheit und versah ihre Schriften mit seinen Illustrationen. Das machte er dank seiner Werkstatt mit hoher Druckauflage und dadurch mit rascher Verbreitung. Cranachs Werke wurden zum Spiegelbild der Reformation und er war sozusagen die Marketingabteilung der Reformation.

Cranach-Orte in Thüringen

Cranach in Thüringen

Unterwegs mit Kunst und Passion

Er war mit Luther befreundet, druckte Flugblätter für die Reformation und hatte trotzdem auch katholische Auftraggeber: Lucas Cranach der Ältere war einer der spannendsten Künstler seiner Zeit. Bei vielen Werken wird gerätselt, ob sie von ihm selbst oder doch einem seiner Söhne stammen. Mit seiner Werkstatt hat Cranach damals eine Art Label entwickelt, eine richtige Marke, die eine Unterscheidung einzelner Mitarbeiter ausschließen sollte. In Thüringen begegnet man so einigen dieser Werke.

Weitere Infos zum Leben und Wirken der Cranachs.

Titelbild: ©Jessica Mintelowsky, Thüringer Tourismus GmbH


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