Machtworte

Sprache lesen

Bei einem „Lästermaul“ sollte man nicht jedes Wort „auf die Goldwaage legen“. Also „Zähne zusammenbeißen“, auch wenn es einem „ein Dorn im Auge ist“. Sprachbilder, Sprichwörter und Alliterationen, die allzu gut bekannt sind. Wer hat’s erfunden? Der Mann, der das Neue Testament auf der Wartburg übersetzte.

Er sprach viele Machtworte oder besser gesagt, schrieb sie. Viele von Martin Luthers sogenannten geflügelten Wörtern stehen noch heute im Duden.

Apropos: Konrad Duden setzte sich für eine einheitliche deutsche Rechtschreibung ein und verfasste den ersten „Duden“ in Thüringen.
Dank der beiden Herren sprechen und schreiben wir eine gemeinsame Sprache.

In vielerlei Hinsicht kann Thüringen als Geburtsort einer einheitlichen, verständlichen deutschen Sprache verstanden werden.

Luthers Übersetzung: fürs gemeine Volk

Mit seiner Bibelübersetzung machte Luther die Heilige Schrift der gemeinen Bevölkerung zugänglich. Weit verbreitet war bis dato die Biblia Vulgata, sprich die lateinische Fassung der Bibel. Dem geschriebenen Latein mächtig waren meist nur Gelehrte.

Luther nutzte die lateinische und die Urversionen (griechische und hebräisch) für seine Übersetzung des Neuen Testaments. Den Text gab er nicht Wort für Wort wieder, sondern verwendete eine bildhafte Sprache. Er schuf Sprichwörter und kreierte Sprachbilder, die von jedermann verstanden werden konnten. Luther „schaute dem Volk aufs Maul“. Als „Junker Jörg“ übersetzte er diesen Teil der Bibel auf der Wartburg – in nur elf Wochen. Er legte damit den Grundstein der deutschen Sprache.

Noch heute verwenden wir Luthers Wortschöpfungen wie selbstverständlich. Oder wie sonst könnten wir unserem Herzblatt mitteilen, dass wir es "für immer und ewig" lieben werden?

Weitere Wortkreationen Luthers:

Tipp: Werft bei einem Besuch der Wartburg einen Blick in Luthers Arbeitszimmer, die Lutherstube. Hier brütete er an seinem Schreibtisch über den Übersetzungen.

„Luther übersetzt. 500 Jahre Neues Testament auf der Wartburg"

Ausstellung auf der Wartburg, Eisenach

In der Ausstellung wird Luthers Übersetzungsarbeit beleuchtet; auch im Hinblick auf das Phänomen des Dolmetschens. In einer Übersetzungswerkstatt wird das Übersetzen erfahrbar gemacht: Die Mitmachausstellung geht durch spielerische Auseinandersetzung diversen, auch nonverbalen Kommunikationsformen, Brailleschrift, Gebärdensprache oder Vermittlung von Sprache im inklusiven Kontext auf den Grund.

Große Worte in der Bibliothek der Herzogin

Eine Bibel haben die meisten schon in der Hand gehabt und gesehen. Aber wie sieht es mit einer über 500 Jahre alten Bibel aus; einer originalen Lutherbibel? Bestehend aus zwei großen, dicken Büchern mit dunklem Einband und Messingschnallen kommt sie daher. Das Besondere: Sie weist sehr farbvolle Malereien auf; teilweise sogar mit Gold verziert.

Zu begutachten ist das gute Stück in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Hier im Bestand sind auch Werke anderer großer Köpfe zu finden, wie von Friedrich von Schiller oder Johann Wolfgang von Goethe. Unter anderem Schillers private Buchsammlung wird in der Bibliothek verwahrt. In Schillers Besitz waren beispielsweise Schriften, die ihm Goethe schenkte, wie sein Bildungsroman „Wilhelm Meister“.

Die beiden Freunde Schiller und Goethe gehören auch zu jenen sprachlichen Virtuosen, die maßgeblich dazu beitrugen, die Welt zu übersetzen. Mit mittlerweile gefestigter deutscher Sprache schufen die beiden Werke, die nicht nur die Nachwelt prägten, sondern auch deren Lebtags großen Anklang fanden. So auch bei Herzogin Anna Amalia, die um die beiden Herren in ihrem Tiefurter Anwesen den Weimarer Musenhof versammelte. Beide Dichter befruchteten sich gegenseitig und so entstand ihretwegen die Weimarer Klassik. Bekannte Werke, die während dieser Zeit das Licht der Welt erblickten, sind Goethes „Der Zauberlehrling“ oder Schillers „Der Handschuh“.

Einen Blick in das Neue Testament der Luther-Bibel werfen.

Mehr zu Luthers Schriften in der HAAB.

Wenn Worte schwer wiegen

Welche positiven Auswirkungen eine gemeinsame, verständliche Sprache haben kann, zeigte Luther eindrücklich. Dass diese Nachwehen nicht nur gut sind, zeigte er ebenfalls. So übte Luther selbst nicht nur harsche Kritik an Juden; seine judenfeindlichen Schriften und Äußerungen wurden in Zeiten des Nationalsozialismus aufgegriffen.

So bildete sich in 1939 ein „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ auf der Wartburg. Der Gründungsort legt die Verbindung zu Martin Luther nahe, da er hier das Neue Testament übersetzte. Zahlreiche Schriften und Zitate nutzen die Nationalsozialisten für sich. Die kirchlichen Institutsmitarbeiter schrieben Gesangsbücher oder Teile der Bibel um, um den jüdischen Bezug zu entfernen.

Dieses dunkle Kapitel der deutschen (Sprach-)Geschichte wird in der Sonderausstellung „Erforschung und Beseitigung. Das kirchliche ‚Entjudungsinstitut‘ 1939–1945“ im Lutherhaus Eisenach aufgearbeitet.

„Zwiesprache mit der Lutherbibel. Wartburg 21“

Experiment auf der Wartburg, Eisenach

Knarrendes Holz, feiner Staub funkelt im Licht, das durchs Fenster scheint, ein Hauch von Geschichte liegt in der Luft: So oder so ähnlich dürfte es sich für die drei preisgekrönte Autor*innen anfühlen, welche in 2021 auf der Wartburg residieren. Direkt neben der Lutherstube setzen sie sich mit Luthers Bibel auseinander und geben ihre Gedanken in eigenen Texten wieder. Mit Lesungen und im Austausch mit thüringischen Autor*innen werden die Texte vorgestellt. Das Projekt schafft eine Brücke zwischen Luthers Schaffen auf der Wartburg und der Literatur im Jahre 2021.

Spuren der Reformation in Eisenach

Informationen zu Luther

In Eisenach erlebt man die Geschichte des Reformators an Originalschauplätzen – im Lutherhaus, seiner damaligen Wohnstätte, der Wartburg, seinem Unterschlupf, oder der Georgenkirche, wo er Predigten hielt. Veranstaltungen und Sehenswertes in der Lutherstadt gibt es hier.

Titelbild: ©Candy Welz, Klassik Stiftung Weimar


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