Papiermaché am Weihnachtsbaum

Wie MAROLIN® ein altes Handwerk pflegt

Auf den ersten Blick ist das Material der filigranen Christbaumkugeln nicht zu erkennen. Plastik kann es nicht sein, es wirkt edler. Wunderbar leicht sind sie, aber dennoch nicht so zerbrechlich wie Glas. Der Region um Steinach verhalf ein besonderer Werkstoff ab 1815 zum Durchbruch – das Papiermaché. Die MAROLIN Manufaktur erzählt von einem alten Handwerk, das noch heute traditionell in Steinach ausgeübt wird.


Jochen Coburger gießt eine helle, dickflüssige Masse behutsam in eine Gipsform. Diese muss antrocknen, ehe er die überschüssige Flüssigkeit vorsichtig wieder herausgießen kann und sich das Innere der Form anschließend auf den Weg zur Weiterverarbeitung macht. Was hier entsteht, sind in Handarbeit gefertigte Figuren aus Papiermaché nach einer 100 Jahre alten Rezeptur. Die verwendete Masse wurde von ihrem Erfinder – Richard Mahr – auf den Namen MAROLIN getauft. Die aus Frankreich stammende Bezeichnung bedeutet eigentlich "zerfetztes Papier" und wurde als Oberbegriff für zahlreiche Mischungen aus Papier, Wasser, Leim und weiteren Zuschlagstoffen verwendet.  In dem Familienunternehmen werden noch heute nach traditioneller Handwerksart Figuren und andere Dekorationen aus dem geschmeidigen Werkstoff hergestellt. Vor allem Weihnachtliches entsteht hier: Krippenfiguren, Christbaumschmuck, Engel oder Weihnachtsmänner.

Das Papiermaché besteht aus Ton, Kaolin (Porzellanerde), Pflanzenleim und Papierfasern. Das Mischverhältnis ist allerdings ein streng gehütetes Geheimnis. Als das Unternehmen nach der Wende wieder in Familienhände gelang, versuchte man, das alte Handwerk wieder aufleben zu lassen und die originale MAROLIN-Rezeptur wiederherzustellen. Die Versuche missglückten, die Figuren wurden rissig, der Neuanfang stand kurz vor dem Aus. Durch Zufall entdeckte man im Keller eine Tür, die immer offen gestanden hatte. Auf der Rückwand der Tür kam das verloren geglaubte Rezept zum Vorschein. Ein ehemaliger Mitarbeiter, der für das Anrühren der Masse zuständig gewesen war, hatte bis ins kleinste Detail die Mengen jeder Zutat aufgeschrieben.

Auch die Formen, in welche die Masse gegossen wird, sind zu einem großen Teil Originale und stammen aus den Jahren um 1900. Als gelernter Modellbauer schuf Gründer Richard Mahr die Modelle für seine Figuren zunächst selbst. Als Mahr den gebürtigen Steinacher und Modelleur Julius Weigelt einstellte, war dieser von da an alleinig für die Modell-Fertigung verantwortlich. Weigelt wählte außerdem einen volkstümlichen Stil für die Figuren, da dieser in den 1920er-Jahren große Beliebtheit fand. 


Damals wie heute wird jeder Schritt in Handarbeit ausgeführt, vom Drücken oder Gießen in die Formen, über das Zusammenkleben von Kleinstteilen bis hin zum Bemalen und Patinieren.
Beim Figurengießen werden Gipsformen mit der MAROLIN-Masse befüllt und eine kurze Trockenzeit ist nötig. Die überschüssige Gießmasse wird behutsam abgegossen. In der Form beharren die Rohlinge für rund sechs Stunden und erhalten anschließend im Trockenofen ihre Festigkeit.


Kleine Figuren und Ansatzteile, wie Arme von Figuren, werden gedrückt. Für das sogenannte Papierdrücken wird eine festere und handformbare Masse zubereitet. Diese wird in die Form gelegt und dann mit einer Presse zusammengedrückt. Früher mit Handhebelpresse, heute mit hydraulischer Unterstützung.
Nachdem die Teile per Hand entgratet, verputzt und verschliffen wurden, bekommen sie ihre Farbe. Ihr charakteristisches Aussehen erhalten die MAROLIN-Figuren und -Elemente durch eine Patina – ebenfalls mit eigener Rezeptur. Die Kür sind feine Golddekore, welche ein edles Aussehen verleihen.


Sowohl der 2. Weltkrieg als auch die Spaltung in Ost- und Westdeutschland hinterließen ihre Spuren. Die Produktion wurde eingestellt, originale Formen wurden aufgrund fehlender Nachfrage entsorgt, das Gebäude fiel einem Brand zum Opfer und die Firma wurde enteignet. 

Nach einer wechselvollen Firmengeschichte ist das Unternehmen heute wieder in Familienhand: Die Urenkelin des Gründers, Evelyn Forkel, leitet derzeit die Geschäfte und ihr Sohn Christian ist ebenfalls bei MAROLIN tätig. 


Heute herrscht rege Nachfrage nach den nostalgischen Figuren und Dekorationen, sodass die Werkstücke weltweit exportiert werden. Wer mag, kann die Firma besichtigen und im Werksverkauf mit umfangreicher Weihnachtsausstellung die Figuren bestaunen und mit nach Hause nehmen.

 

Headerbild: ©Florian Trykowski, Thüringer Tourismus GmbH


Hat euch der Artikel gefallen?